Der Himmel über Andermatt UR ist am Freitag wolkenverhangen. Trotz der wenig einladenden Bedingungen sind im Skigebiet fast alle Pisten geöffnet. Bis auf eine Ausnahme: die Abfahrt Hinter Felli, die vom Schneehüenerstock hinunter bis zum Oberalppass führt. Nach dem Lawinenunglück von Donnerstag, bei dem die Piste verschüttet und sechs Personen mitgerissen worden waren, bleibt die Strecke bis auf weiteres gesperrt.
Einer, der mit Schrecken an das Unglück am zweiten Weihnachtstag zurückdenkt, ist Peter Lussi (69). Der Schwyzer aus Brunnen SZ ist Experte für Fragen rund um die Sicherung von Skipisten – und entging der Lawine im Skigebiet von Andermatt nur um wenige Augenblicke. «Etwa 20 Minuten bevor die Lawine losbrach, stand ich dort selber noch auf der Piste. Der Gedanke an das, was hätte passieren könnte, fährt einem dann schon ein», so Lussi zu BLICK.
«Wer da nicht aufpasst, kommt von der Piste»
Die Abfahrt Hinter Felli wurde von den Bergbahnen am Donnerstag zum ersten Mal überhaupt in Betrieb genommen. Für die Andermatt-Sedrun Sport AG ist die Piste das entscheidende Puzzlestück, das das Skigebiet Andermatt mit dem Kanton Graubünden verbindet. «Der Druck, die Piste zu öffnen, war für die Betreiber und die Pistenchefs wohl zu gross!» Denn: «Man will ja die Eröffnung endlich verkünden können», erklärt Lussi. Er weiss: Jeder neue Pistenkilometer ist ein zusätzliches Verkaufsargument im Kampf um Wintersportgäste.
Zum verschütteten Pistenabschnitt sagt Lussi: «Die Streckenführung ist korrekt und liesse sich in dem Gebiet gar nicht anders lösen.» Kritik übt der Experte aber an der Signalisation vor Ort. «Wer nicht aufpasst, gerät in dem Abschnitt auch unbeabsichtigt rasch von der Piste und landet schliesslich genau in dem Hang, wo die Lawine losgebrochen ist.» Für Lussi müsste die Piste mit Schildern und Markierungen deutlicher markiert werden.
Tatsächlich ist auf einer Videoaufnahme eines Augenzeugen zu sehen, wie ein Freerider unmittelbar vor dem Lawinenabgang den Hang abseits der Piste durchquert. Ob seine Fahrt die Schneemassen in Bewegung gesetzt haben, wird untersucht. Polizei-Einsatzleiter Reto Pfister erklärte am Freitag zu BLICK, dass die Abbruchstelle der Lawine wohl deutlich über der Route des Freeriders liege. Trotzdem wäre man froh über Hinweise zur Identität des Skifahrers.
Ist die Strecke schon am Wochenende wieder offen?
Lussi selbst stammt aus einer Familie mit langer Tradition im Kampf um mehr Sicherheit vor Lawinenabgängen. Bereits in den 1980er-Jahren entwickelte Peter Lussis Vater Hermann eine Lawinensprengbahn für die Bergbahnen in Gstaad BE. Aus Erfahrung sagt Peter Lussi darum auch: «Es braucht Zeit, bis man die Bedingungen rund um eine neue Piste kennt.» Das sei auch bei der Strecke über dem Oberalppass nicht anders. «Es ist darum absolut richtig, dass die Piste jetzt erst mal geschlossen bleibt.»
Wie lange die Abfahrt Hinter Felli gesperrt bleibt, ist noch unklar. Bei der Andermatt-Sedrun Sport AG ist man derzeit mit der Aufarbeitung des Vorfalls beschäftigt. Wie Sprecher Stefan Kern auf Anfrage von BLICK erklärt, bleibt die Piste am Samstag noch definitiv zu. Dann werde man neu beurteilen, ob eine Wiedereröffnung in Betracht gezogen werden könne. Die Urner Polizei bestätigt derweil, dass Ermittlungen zum Lawinenabgang eingeleitet wurden. Abgeklärt wird dabei auch, ob die verschüttete Piste am Donnerstag überhaupt hätte freigegeben werden dürfen. Oder ob alles ein Schnellschuss war.