Niemand glaubte Lian (17) seine Schmerzen
Psycho-Pillen gegen Leistenbrüche

Nach seiner Blinddarm-OP hatte Lian (17) starke Schmerzen. Doch die Ärzte stempelten ihn als Spinner ab und verschrieben Psychopharmaka. Heute ist klar: Lian hatte zwei Leistenbrüche und einen Narbenbruch.
Publiziert: 30.08.2018 um 01:45 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:32 Uhr
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Ein Jahr dauerte es, bis Chirurg Hani Oweira (38) die Leistenbrüche von Lian (17) entdeckte.
Foto: STEFAN BOHRER
Anian Heierli

Zum Schluss pumpten die Ärzte Lian B.* (17) mit Medikamenten voll. Der Teenager musste täglich elf Tabletten schlucken. Ein Cocktail aus Psychopharmaka, Hormonen und Schmerzmitteln. Davon bekam er Akne, nahm 16 Kilo zu und litt unter Sehstörungen.

Für die Ärzte war der Fall klar. Ihre Diagnose, immer wieder: Lian hat psychosomatische Schmerzen. Im Klartext: Er bildet sich alles nur ein. Doch die Mediziner liegen falsch. Die Schmerzen waren real. Lian hatte zwei unbehandelte Leistenbrüche, einen Narbenbruch, und Teile seiner Leber und seines Dickdarms waren mit der Bauchdecke verwachsen.

Niemand glaubt an seine Leiden

«Das Schlimmste war, dass mir niemand glaubte», sagt Lian zu BLICK. «Ich fing an, selbst an mir zu zweifeln.» Trotzdem sei er nicht depressiv geworden: «Ich hatte immer die Hoffnung, dass jemand den Grund für mein Leiden findet.» Seine Mutter Doris (55) dazu: «Ich hatte damals eine richtige Wut auf Ärzte.»

Der Erste, der die richtige Diagnose stellte, war Chirurg Hani Oweira (38) aus Cham ZG: «Ich fing nochmals bei null an», sagt er. Als er den Bauch von Lian abtastete, bekam dieser extreme Schmerzen an einem bestimmten Punkt. «Das passte zu seiner medizinischen Vorgeschichte. Etwas stimmte wirklich nicht», so Oweira.

Blinddarm-OP mit Komplikationen

Im Juni 2017 hatte Lian eine Blinddarm-OP mit Komplikationen. Er bekam eine Blutvergiftung, musste zweimal unters Messer, lag auf der Intensivstation und war dem Tod nahe: «Ich durfte sogar bei ihm im Spital schlafen», sagt Mutter Doris mit Tränen in den Augen.

Nach drei Wochen wird er entlassen, doch die Schmerzen bleiben. Seine Lehrstelle als Zimmermann muss er unterbrechen. «Dann fing es an», sagt Lian. «Die Ärzte sagten, eventuell sei das Problem im Kopf.»

Doch weil kein Medikament hilft, operiert man ihn am 17. Oktober in einer anderen Klinik erneut. Trotzdem hat er weiter Schmerzen. Er muss zum Neurologen, Psychiater und in die Physiotherapie, weil sein linkes Bein lahmte.

Auf dem Weg der Besserung

Sämtliche Spezialisten drückten Lian den Stempel eines Spinners auf. Der Medikamenten-Cocktail wuchs und wuchs. Bis er im letzten April zu Hani Oweira kommt, der als Erster die Leistenbrüche findet. 

Am 16. Mai 2018 wird Lian operiert. Der Chirurg entfernt die Verwachsungen an Leber und Dickdarm, fixiert die zwei Leistenbrüche und korrigiert den Narbenbruch, der bei der Blinddarm-OP entstand. 

Seither geht es Lian täglich besser – ganz ohne Psychopharmaka! «Ich mache wieder leichten Sport», sagt er und strahlt. Im August 2019 will er seine Lehre als Zimmermann wieder aufnehmen. Auch Chirurg Oweira ist zuversichtlich: «Lian wird wieder ganz gesund.»

*Name bekannt

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