Seit 34 Jahren schon leben Gabriele (68) und Peter (70) Allemann im idyllischen Kehrsiten NW. Ihr Heim ist das schmucke, liebevoll restaurierte Chalet Neuegg mit 140 Meter Seeanstoss und traumhaftem Ausblick über den Vierwaldstättersee. «Es ist wunderschön hier. Wir haben viel Schweiss und Herzblut in unser kleines Paradies investiert, das früher arg verlottert war», erzählt der ehemalige Bauberater Peter Allemann.
Ausgerechnet jetzt, wo sie den Lebensabend am See geniessen könnten, ist ein böser Nachbarschaftsstreit eskaliert.
Ihr Pech: Die einzig mögliche Zufahrt führt über das Nachbargrundstück, das einst im Familienbesitz war. Und die Fahrrechte sind offenbar nie sauber geregelt worden.
Gekauft hat das Nachbargrundstück ein reicher Berner Unternehmer, der dort seine Ferien verbrachte. Erst duldete er die Durchfahrten der Allemanns. Dann aber baute er ein Tor vor seinem Haus, das die alten Leute bei jeder Durchfahrt mühsam öffnen und schliessen mussten.
Plötzlich blieb das Tor geschlossen
Vor wenigen Wochen hat der Unternehmer nun seinen Wohnsitz nach Kehrsiten verlegt – dort zahlt er viel weniger Steuern als im Kanton Bern.
Mit dem Umzug liess er das Tor automatisieren. Nur noch er oder die Notdienste können es öffnen – die Allemanns bleiben ausgesperrt. Das Ehepaar muss sein Auto vor dem Tor parken und zu Fuss über einen 150 Meter langen schmalen Weg mit etwa 40 Treppenstufen zum Chalet gehen.
Eine Qual für Gabriele Allemann. «Ich bin in unserem Paradies gefangen! Wenn ich mit meiner starken Arthrose in den Knien die Treppen steige, habe ich zwei Tage lang Rückenschmerzen», sagt sie. Ihr Mann muss jetzt alle Einkäufe vom Parkplatz zum Haus schleppen.
Auch die Post, die Kehrichtabfuhr, der Gärtner oder Handwerker können nicht mehr zum Chalet Neuegg fahren – eine Katastrophe für das betagte Ehepaar. Und vielleicht das Ende seines Lebensabends im Traumchalet Neuegg.
Der Nachbar sagt, rechtlich sei alles klar: «Die Zugangsverhältnisse beruhen auf alten dienstbarkeitsrechtlichen Vereinbarungen.» Die Allemanns hätten mehrfach versucht, diese Dienstbarkeiten durch Gerichte anders interpretieren zu lassen.
Jetzt liegt der Fall beim Gericht
Der Anwalt der Allemanns wiederum relativiert. Unlängst habe das Nidwaldner Obergericht in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil entschieden, dass die aktuelle Auslegung der Wegrechte «nicht verbindlich» sei. Dessen ungeachtet glaube der Nachbar, die Wegrechte der Allemanns unter Berufung auf ein Urteil aus dem Jahre 2007 nahezu negieren zu können. «Mit der Automatisierung der Toranlage hat er nun vorschnell vollendete Tatsachen geschaffen», sagt er.
Während sich die Anwälte und Gerichte über das Fahrrecht zum Chalet Neuegg streiten, sieht das Ehepaar Allemann einer traurigen Zukunft entgegen. Müssen sie jetzt bis an ihr Lebensende alles zu Fuss nach Hause schleppen?
Ihr Anwalt macht Mut: «Es gibt in der Schweiz ein Notwegrecht. In Wohngebieten muss in der Regel der nächste Nachbar eines vom öffentlichen Strassennetz abgeschnittenen Hauses sein Land für die Zufahrt zur Verfügung stellen.»
Das Gesetz wird dem resoluten Nachbarn nicht gefallen – er wäre es, der aufgrund dieser Regelung den Zugang gewähren müsste.