Dem Lebenswerk droht das Aus
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Der Kampf der Wicki-Brüder:Dem Lebenswerk droht das Aus

Markus Wicki und seine Brüder kämpfen um den Hirschen
Dem Lebenswerk droht das Aus

Hotelier Markus Wicki und seine mit Down-Syndrom geborenen Brüder führen gemeinsam ein Hotel. Für teures Geld wurde es umgebaut, doch wegen Corona fehlen jetzt die Gäste. Die Brüder könnten ihre Heimat verlieren.
Publiziert: 08.08.2020 um 20:45 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2020 um 03:37 Uhr
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Kämpfen ums Überleben: Hotelier Markus Wicki (Mitte) mit seinen Brüdern Thomas (links) und Andreas.
Foto: zvg
Peter Padrutt

Mit minutiöser Gründlichkeit raspelt Thomas die Kartoffeln. Die Schalen türmen sich zu einem Berg. Andreas kümmert sich derweilen um den Abwasch. Er soll sich die Kochmütze richtig überziehen, mahnt der Chef und ruft in die Runde: «Ein Fitnessteller, zwei Rotbarben und zwei Schweinsfilets sind als Nächstes dran!»

So emsig ging es in der Küche des Hotels Hirschen in Oberkirch LU zu und her, bevor die Corona-Pandemie zuschlug. Vor acht Jahren hatte uns der Kinofilm «Drei Brüder à la carte» eindrücklich vor Augen geführt, wie Markus Wicki seine Brüder Thomas und Andreas, die beide mit Down-Syndrom geboren wurden, im 400-jährigen Gastrobetrieb arbeiten liess. Wie sie aufblühten. Und das Gefühl erlebten, gebraucht zu werden.

Hohe Investitionen – und dann kam Corona

«Zu Beginn mussten wir den Gästen erklären, was die zwei hier machen», sagt Markus Wicki (56). Es kostete ihn Einsatz und vor allem Mut, die Brüder – sie sind heute 57 und 51 Jahre alt – im Betrieb zu integrieren. «Wer bei uns arbeitet oder uns besucht, muss sie akzeptieren – sonst ist er nicht willkommen», lautet seine Devise.

All das ist heute Selbstverständlichkeit. Doch jetzt erschwert Corona das Familienbusiness. Markus Wicki, der den Hirschen 1997 von seinen Eltern übernahm, liess ihn für einen zweistelligen Millionenbetrag zum 4-Sterne-Kongresshotel umbauen. Letzten Herbst war die Neueröffnung. «Wir haben auf Events gesetzt, doch jetzt bleiben die Geschäftskunden grösstenteils aus», klagt der Hotelier. Die Belegung betrage im Moment gerade mal zehn Prozent. Denn Tagungen und Anlässe finden im Moment praktisch keine mehr statt.

Gebremste Lebensfreude

«Wir werden das zwar sicherlich irgendwie schaffen», sagt Wicki. «Mit der Pandemie umzugehen, ist für uns jedoch nicht einfach. Meine Brüder sind voller Lebensfreude. Und sie sind Geniesser und nie strategisch unterwegs. Es war nicht ganz einfach, ihnen zu erklären, dass sie Menschen nicht mehr umarmen oder keine Hände mehr schütteln dürfen», so der Hotelier. Sie spüren die angespannte Situation und reagieren auch darauf. Die Umbauphase hätten sie voll mitgetragen. Jetzt glänze das Hotel in seiner vollen Pracht. Dass es nicht gut belegt ist, sei äusserst herausfordernd. «Meine Brüder sagen jeweils: Hol doch einfach Geld auf der Bank», erklärt Wicki. «Dort hat es genug.»

Für Markus Wicki ist der Hirschen sein Lebenswerk – für die beiden Männer mit Down-Syndrom ist es ihre Heimat. Die drei Brüder à la carte hätten ein feines Dessert verdient. Doch so weit sind sie noch nicht. «Wir hoffen aber, dass alles gut kommt», sagt Markus Wicki. «Und wir kämpfen weiter!»

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