Architekt Flavio G. auf dem Weg in das Kriminalgericht
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Ihm droht eine Freiheitsstrafe:Architekt Flavio G. auf dem Weg in das Kriminalgericht

Luzerner Architekt Flavio G.* (69) wegen Bauskandal vor Gericht
Elf Firmen zahlten ihm Schmiergelder für Aufträge

Architekt Flavio G.* (69) steht heute vor Gericht. Die Vorwürfe sind happig. Er soll Bauaufträge gegen Schmiergeld erteilt haben. Insgesamt sind elf Schweizer Firmen involviert. Der Angeklagte arbeite für eine Privatklinik-Gruppe, die nichts davon wusste.
Publiziert: 09.04.2019 um 18:08 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2019 um 12:43 Uhr
Dutzende Bauaufträge wurden nur vergeben, weil Schmiergelder flossen. Laut Staatsanwaltschaft verteilen sich involvierte Firmen über die halbe Deutschweiz.
Foto: BLICK Grafik
Anian Heierli
Anian HeierliReporter Zentralschweiz

Der Fall erinnert an ein korruptes Drittweltland, spielt aber im Herzen in der Schweiz. Heute beschäftigt sich das Kriminalgericht Luzern mit einem Bauskandal, der mafiöse Strukturen aufweist. Dutzende Bauaufträge wurden nur vergeben, weil reichlich Schmiergelder flossen. Besonders pikant: Involvierte Firmen verteilen sich über die halbe Deutschweiz (siehe Grafik). Laut Anklage erschlichen sich elf Unternehmen bewusst Arbeit gegen Bares.

Architekt Flavio G.* (69) bestreitet alles

Strippenzieher war der Luzerner Architekt Flavio G.* (69). Nun sitzt er dafür auf der Anklagebank. Die Vorwürfe sind deftig: Betrug, Privatbestechung, Urkundenfälschung und ungetreue Geschäftsbesorgung – und das jeweils in mehreren Fällen. Der mutmassliche Betrüger streitet die Vorwürfe ab. Es gilt die Unschuldsvermutung. Doch die Beweise wiegen schwer: Es gab diverse Razzien, die Fallakten füllen 16 Ordner und die Untersuchungskosten belaufen sich auf 58'077 Franken.

Die Schmiergelder flossen laut Anklage zwischen 2008 und 2013. Betroffen sind mehrere Baustellen einer grossen Schweizer Privatklinik-Gruppe, wobei die Klinik als Bauherrin zu den Geschädigten gehört. So wusste die Chefetage nichts von den illegalen Machenschaften ihres Architekten. Die Gruppe tritt heute selbst als Straf- und Zivilkläger auf.

Ein Akten-Beispiel zeigt, wie perfid Architekt K. vorging: 2008 soll er den Verantwortlichen einer Gebäudetechnik-Firma gefragt haben, ob er bereit sei, Schmiergeldzahlungen zu leisten, wenn er im Gegenzug die Arbeiten der Klinik-Gruppe an ihn vergibt. Die Staatsanwaltschaft dazu: «Fortan bestand die Vereinbarung, dass K. dafür jeweils ein von der Werkvertragssumme abhängiger Betrag in Rechnung stellen durfte.»

Auftrag geht an Firma mit Schmiergeld-Deal

Die Ermittlungen zeigen: Im September 2011 offeriert die Gebäudetechnik-Firma einen Betrag von 135'235 Franken für einen Umbau und die Installation von Elektrogeräten. Bei einem derart grossen Projekt hätte K. gemäss Regeln der Bauherrin mindestens fünf Offerten einholen müssen. «Er holte höchstens eine Konkurrenzofferte ein», so die Staatsanwaltschaft. Der Auftrag geht dann auch an die Firma mit dem Schmiergeld-Deal.

Ein halbes Jahr später, im Februar 2012, zahlt die Gebäudetechnik-Firma zwei Rechnungen von insgesamt 12'906 Franken auf das Privatkonto von K. Wohl zum Schein schreibt der Architekt sogar Leistungen auf seine Rechnungen wie: «Planung von Fluchtwegkonzepten oder die Abnahme mit der Gebäudeversicherung.» Für die Staatsanwaltschaft ist klar: «Wenn er diese Leistungen überhaupt erbrachte, dann für die Klinik-Gruppe und er wurde hierfür mit dem Pauschalhonorar entschädigt.»

Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Die Gebäudetechniker zahlten dem Architekten zwischen 2009 und 2013 Rechnungen von insgesamt 68'254 Franken aufs Privatkonto, allesamt für Arbeiten der Klinik-Gruppe. Ähnliche Deals hatte der Architekt mit zehn weiteren Firmen. Im Fokus der Behörden stehen etwa Metallbauer, Elektriker und Klimatechniker. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass K. insgesamt Bestechungsgelder von mehr als 777'000 Franken eingesackt hat.

Polizei führte 12 Razzien durch

Möglich waren diese Deals nur, weil der Architekt nach langjähriger Tätigkeit von der Klinik enormes Vertrauen erhielt und als Bauherren-Vertreter auftrat. Der Fall flog erst auf, nachdem eine der Schmiergeld-Firmen der Privatklinik alles beichtete: Man habe Aufträge nur erhalten, weil man dem Architekten 10 Prozent des Volumens gewährte. Dann eröffnet die Staatsanwaltschaft im August 2014 das Verfahren. Es kommt zu 12 Hausdurchsuchungen im Architekturbüro und bei involvierten Firmen. Architekt K. muss für 32 Tage in U-Haft.

Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, wovon eines unbedingt zu vollziehen ist. Die Konten des Angeklagten sind eingefroren. Die Klinik-Gruppe fordert das Bestechungsgeld zurück.

G. will vor Gericht keine Aussage machen

Vor Gericht am Mittwochmorgen schwieg Flavio G. erst eisern. Er ging auf keine der Vorwürfe ein. Selbst als der Staatsanwalt ihm vorhält, dass drei der involvierten Unternehmen den Strafbefehl wegen mehrfacher Privatbestechung akzeptierten, sagt K. knapp: «Dazu mache ich keine Aussage.»

Etwas später aber meint der Angeklagte: «Es hat die Klinik-Gruppe nicht interessiert, wie viele Offerten ich einhole.» Offenbar war er unzufrieden mit seiner Lohnsituation. «Ich wurde von der Klinik-Gruppe ausgenutzt. Es kam pro Auftrag immer mehr Arbeit dazu. Doch das Honorar blieb gleich.»

Vor Gericht kommt zudem aus, dass der Angeklagte seit Jahren hoch verschuldet ist. Allein die Verlustscheine gegen ihn belaufen sich auf 800’000 Franken. Hinzu kommen noch diverse Betreibungen. Der Staatsanwalt dazu: «Er brauchte das Schmiergeld, um seinen teuren Lebensstil aufrecht zu erhalten.»

Das Gericht wird das Urteil schriftlich verkünden. Wann dies passieren wird, ist noch unklar.

* Name von der Redaktion geändert

Firmen schalten auf stumm

Mehrere Firmen sollen laut Anklage Schmiergelder an den Architekten Flavio G.* (69) gezahlt und dafür im Gegenzug Bauaufträge erhalten haben. Als BLICK am Prozesstag einige von ihnen kontaktiert, werden nur Ausreden gesucht – die Vorwürfe totgeschwiegen.

«Unser damaliger Chef wurde entlassen», heisst es bei einer Firma in Rothrist AG. Und: Der neue Boss sei in den Ferien. Er wolle wohl sowieso nichts sagen.

Ein Unternehmen in Olten SO, das heute einen neuen Namen trägt, will auch keine Stellung nehmen – der Fall sei ja Jahre her.

Eine Mitinhaberin einer Ex-Firma in Adliswil ZH gibt zu, dass sie eine Busse von mehreren Tausend Franken erhalten, sie aber weitergezogen habe. Nach Rücksprache mit ihrem Anwalt: keine Auskunft mehr.

Der Chef einer Bude in Bellach SO will auch nicht reden. Man habe sich längst mit dem damaligen Auftraggeber von G. geeinigt.

In Rothenburg LU hat die betroffene Firma den fehlbaren Mitinhaber entlassen, nachdem alles aufgeflogen war. Auch hier: kein Interview.

Der Chef einer Firma in Aarburg AG, die auch geschmiert haben soll, winkt ab: «Das habe ich nicht getan.» Auf Nachfrage auch hier: «Keine Auskunft.»

In Stans ist niemand zu erreichen. Firmen in Schönenwerd SO und Oberdiessbach BE rufen nicht zurück.

Fazit: Niemand will öffentlich mit G. in Verbindung gebracht werden. Seine Aufträge sind ja längst im Sack. (Ralph Donghi)

* Name geändert

Mehrere Firmen sollen laut Anklage Schmiergelder an den Architekten Flavio G.* (69) gezahlt und dafür im Gegenzug Bauaufträge erhalten haben. Als BLICK am Prozesstag einige von ihnen kontaktiert, werden nur Ausreden gesucht – die Vorwürfe totgeschwiegen.

«Unser damaliger Chef wurde entlassen», heisst es bei einer Firma in Rothrist AG. Und: Der neue Boss sei in den Ferien. Er wolle wohl sowieso nichts sagen.

Ein Unternehmen in Olten SO, das heute einen neuen Namen trägt, will auch keine Stellung nehmen – der Fall sei ja Jahre her.

Eine Mitinhaberin einer Ex-Firma in Adliswil ZH gibt zu, dass sie eine Busse von mehreren Tausend Franken erhalten, sie aber weitergezogen habe. Nach Rücksprache mit ihrem Anwalt: keine Auskunft mehr.

Der Chef einer Bude in Bellach SO will auch nicht reden. Man habe sich längst mit dem damaligen Auftraggeber von G. geeinigt.

In Rothenburg LU hat die betroffene Firma den fehlbaren Mitinhaber entlassen, nachdem alles aufgeflogen war. Auch hier: kein Interview.

Der Chef einer Firma in Aarburg AG, die auch geschmiert haben soll, winkt ab: «Das habe ich nicht getan.» Auf Nachfrage auch hier: «Keine Auskunft.»

In Stans ist niemand zu erreichen. Firmen in Schönenwerd SO und Oberdiessbach BE rufen nicht zurück.

Fazit: Niemand will öffentlich mit G. in Verbindung gebracht werden. Seine Aufträge sind ja längst im Sack. (Ralph Donghi)

* Name geändert

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