Sie ist ein Polit-Neuling mit bizarrem Online-Auftritt. Hülya Eren (49) kandidiert auf der Liste der SVP fürs Luzerner Stadtparlament. Einerseits zeigt sie auf Facebook etwa das Bild von einem Anlass ihrer Partei, wo sie Arm in Arm posiert mit dem Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter (60) – oder sie postet ein Selfie mit dem Aargauer Parteikollegen Andreas Glarner (61).
Andererseits präsentiert sie sich als glühende Anhängerin des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (70). Brisant ist dabei, wie die Schweizer Politikerin ihr Engagement für den Autokraten erklärt.
Vor den türkischen Kommunalwahlen letzten Sonntag etwa veröffentlichte sie ein Foto des Präsidenten mit dem Schriftzug «Bis zum Tod, Anführer!». Frühere Posts auf ihrem Facebook-Profil zeigen: Eren hat starke Sympathien für Erdogan – und macht kein Geheimnis daraus.
Symbole von rechtsextremen «Grauen Wölfen»
Als eine von 20 Kandidaten auf der SVP-Liste für den Grossen Stadtrat von Luzern hat Eren als Unerfahrene zwar wenig Chancen, am 28. April gewählt zu werden. Auf Facebook jedoch hat sie bereits jetzt mehr Follower als ihre Ortspartei.
Rund um die türkische Präsidentschaftswahl vom Mai 2023 war sie besonders aktiv: Auf einem Bild posiert sie mit Erdogan-Shirt, in mehreren Posts verherrlicht sie ihn als Anführer der Türkei «auf ihrem Weg zu einem grossen und mächtigen Staat.» Eines der Videos auf ihrem Profil zeigt Symbole der rechtsextremistischen türkischen Gruppierung «Graue Wölfe».
«Habe damit nichts zu tun»
Die Grauen Wölfe streben nach einem Grossreich unter türkischer Herrschaft, das Gebiete in Russland, Zentralasien und China umfasst. Der deutsche Verfassungsschutz warnt vor deren «nationalistischer, rechtsextremistischer, antisemitischer und rassistischer Ideologie.» Im Schweizer Nationalrat wurde ein Verbot der Grauen Wölfe gefordert – zuletzt ausgerechnet von einer Nationalrätin der SVP!
Gegenüber Blick gibt sich Hülya Eren ahnungslos: «Ich habe nichts mit dieser Bewegung zu tun. Für mich sind alle gleich, egal welche Religion und Nationalität.» Sie könne sich nicht erinnern, das Video veröffentlicht zu haben.
«Augen auf, welche Flüchtlinge ankommen»
Eren bestreitet sogar, Anhängerin des türkischen Machthabers zu sein. «Erdogan war der Liebling meines Vaters, der inzwischen verstorben ist», sagt sie.
Die 49-jährige Schweizerin ist hierzulande geboren, als Kind türkischer Einwanderer. Sie hat als Kellnerin im Kanton Obwalden gearbeitet. Dabei bedient sie auch viele Angehörige der SVP. «Die haben mich alle so schön akzeptiert», sagt Eren.
Die SVP passe zu ihr – Nationalstolz sei ihr wichtig. Letztes Jahr sei sie der Partei beigetreten. Sie wünscht sich eine sichere Zukunft für alle, fordert: «Die Behörden sollen die Augen aufmachen, welche Flüchtlinge hier ankommen. Die meisten sind Männer, die unser Land ausnutzen.»
Treffen mit Erdogan-Politiker
Die türkische Politik interessiere sie nicht. «Ich habe mit den Posts nur meine Familie in der Türkei unterstützen wollen», versichert sie.
Klar ist aber: Eren ist innerhalb der Regierungspartei AKP vernetzt. So half sie 2022 beim Transport eines krebskranken Mannes von Kassel (D) in die Türkei. Der Patient hatte sich öffentlich über das deutsche Gesundheitswesen beschwert und wollte lieber in der Türkei behandelt werden.
Staatsnahe türkische Medien schlachteten den Fall aus, um das eigene Gesundheitssystem anzupreisen. Auch hier verweist Eren auf ihre Verwandtschaft: «Ich helfe immer da, wo ich kann. Der Mann war ein früherer Freund meines Vaters.»
«Es war unüberlegt»
Dieter Haller, Präsident der SVP Stadt Luzern, nimmt seine Kandidatin in Schutz: «Für mich zählt der Mensch, nicht das Facebook-Profil», sagt er. Hülya Eren sei eine gutherzige und hilfsbereite Kollegin. «Sie ist immer an vorderster Stelle, wenn jemand Hilfe benötigt.»
«Solche Pro-Erdogan-Inhalte auf Facebook zu veröffentlichen, war unüberlegt», räumt Hülya Eren ein. Nach dem Gespräch mit Blick löscht sie alle Posts zur türkischen Politik und dem Präsidenten. «Bis zum Tod» folgt sie Erdogan also nicht – vor allem, wenn es um ihre eigenen Wahlchancen geht.