«Kann diese Aussagen nicht nachvollziehen»
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Gemeindepräsident Urs Brücker:«Kann diese Aussagen nicht nachvollziehen»

Besuch an der Goldküste Luzerns
Zu reich für ukrainische Geflüchtete?

In Meggen LU soll eine Containersiedlung für ukrainische Frauen und Kinder entstehen. Doch manche Anwohner fürchten sich vor den Schutzsuchenden.
Publiziert: 03.09.2022 um 22:14 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2022 um 15:09 Uhr
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Auf dieser Wiese in Meggen soll bald eine Containersiedlung für geflüchtete Menschen aus der Ukraine entstehen.
Foto: Philippe Rossier
Dana Liechti

Vier kleine Metallpfosten, umwickelt mit rot-weissem Absperrband, stecken im Boden. Hier, am Dorfrand von Meggen LU, umgeben von Gebäuden der Kirchgemeinde, dem Probelokal der örtlichen Theatergesellschaft und einem öffentlichen Parkplatz sollen bald Containerunterkünfte für 100 Geflüchtete aus der Ukraine – vornehmlich Frauen und Kinder – errichtet werden.

So zumindest will es der Gemeinderat der Luzerner Vorortsgemeinde mit 7600 Einwohnerinnen und Einwohnern. Nur: Gegen die geplante, auf drei Jahre befristete Containersiedlung sind 14 Einsprachen eingegangen.

Unter anderem von der SVP Meggen. Der ortsansässige SVP-Kantonsrat Thomas Schärli (42) sorgte am Mittwoch für Aufruhr, als er gegenüber «20 Minuten» den Grund für die Einsprache erklärte: «In Meggen will man zum Teil nicht Leute in der Nähe haben, die in ärmeren Verhältnissen leben.» In der Gemeinde lebten sehr viele wohlhabende Personen, so Schärli. «Wenn dann Leute kommen, die auf engstem Raum leben und rundherum hat es Villen, kann das zu Unmut führen.»

Putin höchstpersönlich wollte nach Meggen

Tatsächlich gilt die Gemeinde als Goldküste Luzerns. Meggen ist, wo Hausangestellte auch mal eine eigene Klingel haben und nicht nur ein, sondern zwei SUVs vor dem Haus stehen. Wo sich hinter hohen Zäunen riesige Grundstücke und prachtvolle Villen verbergen, allesamt mit Sicht auf See und Berge. Die Gemeinde liegt an südlicher Hanglage am Vierwaldstättersee – und lockt mit dem tiefsten Steuerfuss des Kantons. Kein Wunder, ist das Dorf bei Gutbetuchten beliebt. Auch einige wohlhabende Russinnen und Russen haben sich in Meggen niedergelassen. Laut der «Wochenzeitung» soll sich gar Wladimir Putin höchstpersönlich 2013 für eine Liegenschaft in der Gemeinde interessiert haben; aus dem Kauf wurde aber nichts.

Und nun also soll Meggen bald auch für einige jener Menschen zum Zuhause auf Zeit werden, denen der russische Präsident mit seinem kaltblütigen Kriegstreiben fast alles genommen hat. Ginge es nach SVP-Mann Thomas Schärli würde die Gemeinde diese statt in der modernen, funktionalen Containersiedlung in der – fensterlosen – Zivilschutzanlage unterbringen.

Beim Gemeindepräsidenten von Meggen, Urs Brücker (63, GLP), sorgt das für Kopfschütteln. Einerseits sei die SVP als Partei gar nicht einspracheberechtigt. Ausserdem stehe eine Unterbringung der Frauen und Kinder in der Zivilschutzanlage nicht zur Diskussion. «Die Anlage ist vom Kanton auch gar nicht zugelassen dafür.» Die Aussagen von Schärli entsprächen indes auch nicht der Meinung im Dorf: «Die Bevölkerung steht mit grosser Mehrheit hinter dem Projekt. Wäre es anders, hätte ich das mitbekommen.»

Tatsächlich ist am Freitag beim Besuch von SonntagsBlick im Dorf nicht viel von besagtem Unmut zu spüren. Viele Anwohner haben nur aus der Zeitung von der Debatte um die Unterkunft erfahren, bei der Coiffeuse redet man lieber übers Schwingen.

«Da hätte es dann immer so viele Menschen»

Wer nebst der SVP Einsprache erhoben hat, will man auf der Gemeinde mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht preisgeben. SonntagsBlick weiss aber, dass Personen aus der direkten Nachbarschaft des geplanten Standorts darunter sind – unter anderem Eigentümer von Wohnungen mit breiten Fensterfronten und ausladenden Terrassen. So viel sei gesagt: Deren Aussicht auf See und Berge würde durch die Container nicht getrübt. Eine Anwohnerin, die Einsprache erhoben hat, aber nicht namentlich genannt werden will, nennt als Grund auch nicht die Aussicht, sondern Ängste. Sie fürchte sich vor Kriminalität. Hinzu komme, dass neben dem Grundstück, auf dem die Unterkunft dereinst stehen soll, ein direkter Weg zum See und Bootshafen verläuft. «Da hätte es dann immer so viele Menschen», sagt die Anwohnerin. «Natürlich ist das egoistisch von mir, und ich finde ja auch, dass man helfen sollte. Aber aus meiner Sicht wäre ein Standort im Dorfzentrum passender.»

Trotz Einsprachen: Die Gemeinde will an ihren Plänen festhalten und hofft auf die Bewilligung des Kantons. Meggen ist gemäss kantonalem Zuweisungsentscheid verpflichtet, 123 Unterbringungsplätze für Schutzsuchende zur Verfügung zu stellen. Tut die Gemeinde das nicht, droht ihr eine Busse von mindestens 30'000 Franken pro Monat. «Wir könnten uns das leisten», sagt Gemeindepräsident Urs Brücker trocken. «Aber das wollen wir nicht. Wir sind solidarisch mit den Geflüchteten.»

Derweil sah sich am Freitag auch SVP-Mann Thomas Schärli, der selbst rund 500 Meter von der geplanten Unterkunft entfernt wohnt, gezwungen, sich zu erklären. In einem Mail hielt der Manager fest, dass ihn das Thema Flüchtlinge schon lange beschäftigt. Oft würden die Behörden in diesem Zusammenhang Massnahmen beschliessen, die nicht von der gesamten Bevölkerung getragen würden. «Mit diesem Hintergrund waren meine Ausführungen emotional geladen und provokant. Daher entschuldige ich mich bei den Betroffenen, ihre Wertvorstellungen missachtet zu haben.»

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