Der Dentaltechniker Paul K. (54) ist von Geldsorgen geplagt. Am Mittwochmorgen überfällt er die Luzerner Kantonalbank in Weggis, bedroht einen Angestellten mit einer Pistole. Nach seiner Flucht auf die Rigi wird er gefasst. Als seine Ehefrau von der Tat erfährt, fällt sie aus allen Wolken. «Ich kenne nicht alle Seiten von Paul», sagt sie später zu BLICK.
Wie wird aus einem unscheinbaren Mann ein Bankräuber? Der forensische Psychiater und Psychotherapeut Ralph Aschwanden gibt Auskunft.
BLICK: Paul K. wirkt wie ein ganz normaler Bürger. Was treibt einen Menschen zu einer solchen Tat?
Ralph Aschwanden: Es sieht nach einer Verzweiflungstat in einer «Alles-egal-Stimmung» aus. Möglicherweise dachte sich der Täter: ‹Entweder klappt es und mein Geldproblem ist gelöst, oder der Staat soll im Gefängnis für mich aufkommen. Da geht es mir aber auch nicht viel schlechter als in Freiheit.›
Doch wieso ein Banküberfall? Es ist ein schweres Verbrechen und sehr riskant.
Das Risiko ist grösser als beispielsweise bei einem Tankstellenraub, der Gewinn aber auch. Gut möglich, dass er sich das Ziel aus einer Abneigung gegen Banken ausgesucht hat. Im Sinn von: ‹Ich muss jeden Rappen umdrehen und sie haben so viel Geld, dass sie Millionen-Boni zahlen können.› Oder er «rechtfertigte» die Tat damit, dass die Bank sowieso genügend finanzielle Mittel hat, und er so am wenigsten Schaden anrichtet.
Die Tat scheint nicht besonders gut vorbereitet. Wie kommt das?
Solche «Verzweiflungs-Überfälle» von Einzeltätern sind selten gut geplant, weil dies meistens durch emotionale Elemente gestört wird – zum Beispiel Wut, Trauer oder Frustration. Vielleicht ist der Täter durch die vielen Zeitungsberichte von «erfolgreichen» Banküberfällen in letzter Zeit auf diese Idee gekommen und hat es sich dementsprechend einfacher vorgestellt.
Seine Frau sagt, sie hätte ihm das nie zugetraut.
Jeder ist zu kriminellen Taten fähig. Sogar der «heiligste Mensch». Es hängt immer von der Persönlichkeit und von den Umständen ab. Ob der Täter aber wirklich ein unbescholtener Bürger ist, das muss noch geprüft werden. Wenn man verheiratet ist, heisst das nicht, dass man einen Menschen wirklich kennt. Es gibt zum Beispiel Fälle von Frauen, die jahrzehntelang «unwissend» mit Serienmördern oder Sexualstraftätern verheiratet waren und den Tätern somit ein Alibi gaben. Dabei spielt Naivität und/oder Ignoranz eine wesentliche Rolle.
Denken Sie, der Paul K. ist wirklich gefährlich?
Dazu muss man ihn forensisch-psychiatrisch abklären, unter anderem seine Persönlichkeit, seine Vorgeschichte, seine Gegenwart, seine Fähigkeit, mit Problemen umzugehen. Oft sind gerade egozentrische Menschen, die keine Perspektive sehen, zu extremen Taten fähig. Das sieht man zum Beispiel bei einigen vermeintlich erfolgreich therapierten, rückfälligen Vergewaltigern. Sie sehen in einer «alles-egal-Stimmung» nur noch ihre Bedürfnisse, vergessen alles Gelernte und denken: ‹Für mich kann es sowieso nicht mehr schlimmer kommen, jetzt hole ich mir wenigstens, was mir zusteht.›
Kann sich die Verzweiflung auch strafmildernd auswirken?
Eher nein, ein Bankraub ist und bleibt ein schweres Delikt und das Motiv ist immer Bereicherung. Erstmalige Kriminalität und nicht brutales, nicht gefährliches Vorgehen – zum Beispiel keine Bereitschaft zu verletzen oder zu töten – könnte sich aber strafmildernd auswirken.