Dramatische Szenen spielen sich am Nachmittag des 12. Juli 2014 auf einer Wiese in Bilten GL ab. Schaf-Bauer Heinrich L.* (†66) ertrinkt in einer Baugrube auf seinem eigenen Land – dort, wo er sonst seine Schafe weiden liess. «Seine Gummistiefel standen vor seinem Wagen. Ich dachte, dass er mit den Schafen irgendwo unterwegs sei», erinnert sich Marcel Kälin (47), ein Bekannter von Heinrich L. Er hat Schäfer-Heiri wohl als Letzter lebend gesehen.
Jetzt – fast vier Jahre nach dem tragischen Unglück – mussten sich zwei Bauarbeiter vor dem Glarner Kantonsgericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten, wie das «Höfner Volksblatt» berichtet. Der Baggerführer und sein vorgesetzter Bauführer hatten die zwei auf zwei Meter grosse und zwei Meter tiefe Sickergrube nur Tage vor dem Unglück ausgehoben. Die Grube wurde wegen der starken Regenfälle gegraben, um das Wasser zu stauen.
Wurde Schäfer-Heiri seine Fürsorge für die Tiere zum Verhängnis?
Nachdem das Loch gebuddelt war, sollte vom Baggerführer ein Bauzaun aufgestellt werden. Doch Heiri, wie Freunde ihn nannten, habe abgewinkt. Ein derartiger Zaun sei kein genügendes Hindernis für seine Schafe. «Er kümmerte sich sehr gut um seine Tiere», sagte Heiris Bruder Niklaus L. (68) zu BLICK.
Heiri hatte an die 120 Schafe, war über 20 Jahre Schäfer aus Leidenschaft. Wurde ihm seine Fürsorge für seine Tiere zum Verhängnis? Klar ist: Der Schäfer hatte an jenem verhängnisvollen Nachmittag vor, selbst einen Zaun aufzustellen. «Ich bin zutiefst erschüttert über diesen tragischen Unfall», sagte Niklaus L.
«Mein Bruder konnte nicht schwimmen»
Infolge des Unglücks wurde vom einst zuständigen Staatsanwalt Christoph Hohl «eine gerichtsmedizinische Untersuchung eingeleitet». «Mein Bruder konnte nicht schwimmen. Schon seit seiner Kindheit hatte er immer Respekt vor Wasser», hatte Niklaus L. damals zu BLICK gesagt. Die Obduktion von Heiri ergab laut rechtsmedizinischem Gutachten, dass letztlich «atypisches Ertrinken» zum Tod des Schäfers geführt habe, wie das «Höfner Volksblatt» schreibt.
Nur drei Tage nach Heiris Tod gab Hohl bekannt, dass eine «Dritteinwirkung» ausgeschlossen sei. Drei Monate später erklärte Hohl, dass er beabsichtige, die Ermittlungen einzustellen, da «kein strafrechtlich relevantes Verhalten» vorliege.
«Eine professionelle Strafverfolgung sieht anders aus»
Doch entgegen Hohls Absichten wurde die Causa Schäfer-Heiri nicht ad acta gelegt. Denn inzwischen ist der Staatsanwalt pensioniert, und seine Nachfolgerin beurteilt den Fall anders. «Eine professionelle Strafverfolgung sieht anders aus», sagte die neu zuständige Staatsanwältin zum «Höfner Volksblatt».
Sie pocht auf einen Schuldspruch und fordert für den Baggerführer eine bedingte Geldstrafe von 13'200 Franken und für den Bauführer eine in der Höhe von 95'200 Franken. «Wer eine Gefahr schafft, muss Vorsichtsmassnahmen treffen», so die Argumentation seitens Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht bekannt, wird aber schriftlich eröffnet. (rad)