Tag zwei am Amtsgericht in Olten SO. Anna L.* (42) muss sich hier für die Tötung ihres Ehemanns Giuseppe († 38) verantworten, den sie mit einem Bügeleisen erschlagen hat.
Zuerst spricht der psychiatrische Gutachter Mathias Walter. Er beurteilt Anna L.s Verhalten einen Tag nach der Tat. Sie habe vorerst nicht darüber sprechen können, was sie getan habe. «Sie verdrängte die Tat aus Scham», sagt er. Erinnerungslücken seien aber in Extremsituationen nicht verwunderlich.
Anna L. schlug immer wieder auf ihren Mann ein, der sie nach eigenen Angaben zum Sex zwingen wollte. «Sie hatte Angst. Ihre Vernunft setzte aus. Sie hat im Affekt gehandelt», so Walter. Überschwemmt von Gefühlen und Emotionen, sei ihre eigene Steuerungsfähigkeit eingeschränkt worden.
«Könnte eine x-beliebige Person unter Umständen gleich reagieren?», fragt die Gerichtspräsidentin. Gutachter Walter: «Ja, das ist bei gesunden Menschen durchaus möglich, es könnte jedem passieren.» Anna L. hält er nicht für psychisch krank. «Es besteht ein sehr kleines Risiko, dass es zu einer Wiederholung kommt.»
«Ich bin immer konfrontiert mit den Erinnerungen», sagt die Angeklagte gestern. Sie wohnt auch sieben Jahre nach der Tat im gemeinsamen Haus in Schönenwerd SO. Zusammen mit ihren vier Kindern. Sie tue es ihnen zuliebe. «Ich selber wäre am liebsten weggezogen.»
Dann setzt Staatsanwältin Claudia Wittmer zu ihrem Plädoyer an. Sie habe glaubhaft vermittelt, dass Giuseppe L. «ein zweites Gesicht» gehabt hat. «Der Mann hat seine Frau jahrelang wie den letzten Dreck behandelt.» Anna L. sagt, sie sei unterdrückt und geschlagen worden. Auch ihre Kinder. Wittmer fordert 22 Monate bedingte Freiheitsstrafe für Anna L. wegen Totschlags. Weil sie in Notwehr und im Affekt gehandelt, alles zugegeben und Reue gezeigt habe.
Der Anwalt der Schwester des Opfers kann die Ausführungen der Staatsanwältin kaum glauben. «Es scheint, dass ich die Rolle der Anklagebehörde übernehmen muss», sagt Stefan Galligani. «Giuseppe L. ist alles andere als ein Monster. Anna L. lügt und widerspricht sich!»
Der Vertreter der Opferfamilie zählt auf: «Giuseppe L. war kein Alkoholiker. Er liess seine Ehefrau durchaus in den Ausgang. Seine Kinder hatten Freude, wenn er heimkam. Sie fuhren gerne mit ihm im LKW.»
Auch für seine Frau habe er «bis zuletzt» viel getan, sagt Galligani. «Er hat ihr eine Augen-OP bezahlt. Er ging mit ihr in die Ferien, obwohl er Flugangst hatte. Er hat ihr Katzen gekauft, obwohl er die Tiere nicht mochte.» Und er habe ihr zuliebe sogar den Glauben gewechselt!
Die Ehe habe «durchaus aus Liebe» bestanden. Anna L. habe Giuseppe wenige Tage vor der Tat noch Liebesgrüsse per SMS geschickt. «Und vor der Tat gingen sie ja essen und badeten daheim noch. Also bitte!» Der Anwalt ist überzeugt: «Frau L. will nur ihre eigene Haut retten!»
Für den Mitangeklagten Peter G.* (39) fordert die Staatsanwältin einen Freispruch: «Er hatte keine Tötungsabsichten», sagt Claudia Wittmer.
Die Schwester des Getöteten ist bestürzt über die milde Forderung. «Mein Bruder war nicht so! Er hat alles für Anna und die Kinder getan», sagt Giovanna Megaro. «Aber er kann ja nichts mehr sagen.» Sie erlaubt ihrem Anwalt, BLICK die Polizeibilder vom Tatort zur Veröffentlichung zu geben. «Es sollen alle sehen, was mit meinem Bruder damals geschah.»
Morgen werden die Urteile bekannt gegeben.
*Namen der Redaktion bekannt