Touristen-Ansturm auf die Rigi
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Anwohner besorgt:Touristen-Ansturm auf die Rigi

Besucherrekorde, Ausbaupläne und besorgte Einheimische
Billig-Touristen stürmen die Rigi

Jedes Jahr kommen mehr Gäste auf die Rigi. Nun soll eine neue Seilbahn dem Ansturm gerecht werden. Die Einheimischen wollen nicht noch mehr Massentourismus. Vor allem Gäste aus Asien führen zu Kritik.
Publiziert: 03.10.2019 um 20:21 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2020 um 12:17 Uhr
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René Stettler ärgert sich über immer mehr Massentourismus.
Foto: Anian Heierli
Anian Heierli

Sie ist nur 1797 Meter hoch und gilt trotzdem als Königin der Berge. Die Rigi ist ein beliebtes Ausflugsziel – wegen ihrer Aussicht, der zentralen Lage und dem Naturerlebnis. Doch nun sorgen sich immer mehr Einheimische um ihren Hausberg, ärgern sich über den Massentourismus. Die Zahlen geben ihnen recht: Die Besucherzahlen nehmen von Monat zu Monat zu. Zwischen 2009 und 2018 stiegen die Frequenzen von 553'000 auf 912'000. Aktuell knackt man sogar wohl die Millionengrenze.

Deshalb soll die alte Luftseilbahn zwischen Weggis LU und Rigi Kaltbad LU ersetzt werden. 20 Millionen Franken kostet das Projekt. Die geplante Bahn transportiert dann 800 statt wie bisher 640 Personen pro Stunde. Für rote Köpfe sorgt vor allem die Option, die einen Ausbau auf 1200 Personen mit zusätzlichen Gondeln möglich macht.

Anwohner wollen die Natur vor dem Touristen-Boom schützen

«Die Schmerzgrenze ist erreicht», sagt René Stettler (64) zu BLICK. «Noch mehr Gäste verträgt der Berg nicht.» Der Kulturwissenschaftler lebt seit zehn Jahren auf der Rigi und kämpft gegen den Massentourismus. «Die Natur und die Erholungszone müssen geschützt werden», so Stettler. Er lancierte daher die Petition «Nein zu Rigi-Disney-World!». 3106 Personen haben unterschrieben – auch sie fordern einen nachhaltigen Umgang mit dem Berg.

Daraus entstand die Rigi-Charta, ein Grundsatzpapier, das Anfang Jahr auch die Bergbahnen unterzeichneten. Im Nachhinein distanziert sich Stettler von der Aktion: «Die Entwicklung zeigt, dass man sich nicht an die Charta hält.» Für ihn ist klar: «Die Strategie ist vor allem auf Wachstum ausgelegt. Das zeigt die geplante Gondelbahn.» Wenn das Projekt kommt, gibt es 14 statt wie bisher drei Masten. Für Stettler ist klar: «Der Schutzwald ob Weggis wird dann gerodet. Es droht ein Eingriff, der die Rigi-Südflanke verschandelt.»

Sorge vor weiteren Touristen aus dem asiatischen Raum

Er befürchtet zudem, dass mit dem Neubau noch mehr Pauschaltouristen aus Asien kommen. «Viele Reisende fahren mit der Bahn hoch, machen ein Selfie, essen ihr Lunchpaket und gehen wieder», sagt er. Die Wertschätzung des Bergs bleibe auf der Strecke.

Die Chinesin Helen Song reiste per Bus mit ihrer Gruppe an. Bei der Talstation Rigi-Kaltbad geniesst sie auf einer Bank die Sonne und isst einen Joghurt. «Es ist wunderschön hier», sagt sie. Zwei Tage bleibe sie in der Schweiz. Die Leute seien sehr freundlich. Und: «Zu Hause in China ist es furchtbar überfüllt.»

Wie Stettler sieht auch der einheimische Hotelier Willy Camps (63) den Massentourismus kritisch: «Wichtig ist, dass die Qualität im Vordergrund steht.» Momentan setzte man aber eher auf Quantität. Für ihn ist klar, dass die alte Seilbahn erneuert werden muss. Doch die aktuellen Pläne sind für ihn nicht zielführend. Er erwartet vom Verwaltungsrat der Rigi-Bahnen einen sensiblen Umgang. «Das schulden wir unseren Vorfahren, die über Generationen viel zur Entwicklung der Rigi beigetragen haben.»

Bei den Rigi-Bahnen hat man Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung. «Insbesondere, weil wir in den letzten Jahren einen starken Gästezuwachs hatten», sagt Marcel Waldis (46), CEO ad interim, zu BLICK. Die heutige Seilbahn ist 51 Jahre alt. «Die Sicherheit ist gewährleistet», betont Waldis. Doch: «Wir lebten jahrelang von der Substanz. Investitionen sind fällig.»

CEO sieht im Ausbau nur Vorteile

Die Aufstockung von 640 auf mögliche 800 Personen pro Stunde ist für den CEO minimal. «An Spitzentagen kommt es bei der Station Rigi-Kaltbad immer wieder zu Wartezeiten. Mit der neuen Gondelbahn möchten wir dem entgegenwirken.» Und: «Ja, der Ausbau auf 1200 Personen pro Stunde sollte möglich sein, aber ist noch nicht zeitlich geplant.»

Dafür müsste das Bundesamt für Verkehr zuerst die entsprechende Konzession erteilen. «Aktuell beantragen wir diese aber auf 800 Personen pro Stunde», so Waldis. Für ihn haben die Pläne auch Vorteile für Einheimische: «Keine Wartezeiten, Sitzplätze und die Aussicht auf bessere ÖV-Anschlüsse.»

Doch bevor die ersten Bagger auffahren, muss die Bahn erst noch in Weggis vors Stimmvolk. Zur Debatte stehen eine Kapitalbeteiligung der Gemeinde und eine Änderung des Zonenplans. Bei einem Ja wird mit einem Baustart im Herbst 2021 gerechnet.

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