In Andermatt UR ging am Donnerstag um 10.50 Uhr eine Lawine auf eine Skipiste nieder. Mit Helikoptern und Hunden suchten Retter nach den Verschütteten (BLICK berichtete). Da der Lawinenkegel relativ gross ist, ging man von einer Vielzahl von Verschütteten aus. Sechs Personen konnten am Ende gefunden werden, zwei davon leicht verletzt. Wodurch die Lawine ausgelöst wurde, ist noch unklar. Die Polizei ermittelt.
Daniel Bieri ist Bergführer und Rettungschef von der Rettungsstation Pilatus erklärt, wie so etwas passieren kann und wie schwierig die Suche ist.
Herr Bieri, wie kann es passieren, dass eine Lawine mitten auf eine markierte Piste donnert?
Daniel Bieri: In der Regel passiert auf gesicherten Skipisten nichts. Aber es ist wie bei allen Naturgefahren, es gibt auch auf den Skipisten keine 100-prozentige Sicherheit. Ein kleines Restrisiko besteht immer. Auf Skipisten passiert aber nur extrem selten so etwas. Vergleicht man solche Vorfälle mit anderen Sportarten oder mit dem Verkehr, dann merkt man, dass die Pisten sehr sicher sind.
Laut dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) gilt für die Region Andermatt zurzeit die Gefahrenstufe 3. Das bedeutet: kritische Lawinensituation. Hätte man die Piste in diesem Fall besser nicht betreten sollen?
Wenn eine Piste geöffnet ist, gilt sie als sicher. Im Winter herrscht relativ oft die Gefahrenstufe 3, das ist nichts Aussergewöhnliches. Wenn die Piste also offiziell offen ist, sollte das kein Problem sein. Abseits der Piste benötigt man aber entsprechend gute Kenntnisse.
Wie gehen die Rettungskräfte vor, wenn eine Skipiste von einer Lawine verschüttet wird?
Das Problem ist, dass die meisten Skifahrer auf den Skipisten kein Lawinenverschüttetengerät (LVS) tragen. Diese haben in den meisten Fällen nur Tourengänger oder Freerider bei sich. Deshalb braucht es in solchen Situationen ein sehr grosses Aufgebot von Einsatzkräften. Suchhunde, Bergführer und Rettungsmannschaften von umliegenden Rettungsstationen werden unmittelbar alarmiert. Jedoch dauert es eine Zeit lang, bis alle Rettungskräfte mit der entsprechenden Ausrüstung vor Ort sind. Wird eine Skipiste von einer Lawine verschüttet, kommen zudem alternative Ortungsmethoden zum Einsatz, wie zum Beispiel das RECCO-System. Das funktioniert folgendermassen: Die Rettungskräfte können mit einem Sender ein Signal aussenden, das auf Metall reflektiert. In vielen Skibekleidungen sind deshalb Metallplatten eingenäht – jedoch nicht in allen. Auch Handys können auf diese Weise geortet werden. Weil es auf der Piste aber viele Störsignale geben kann, ist dieses Verfahren nicht so genau wie das LVS. Die meisten Skigebiete sind mit diesem System ausgerüstet.
Wieso ist es so schwierig, Verschüttete zu finden?
Wenn die Verschütteten keine LVS mit sich tragen und auch das RECCO nichts anzeigt, sind die Sondierstangen meistens die letzte Hoffnung. In den meisten Fällen hat man aber mit Suchhunden sehr gute Erfolgsaussichten. Jedoch kommt es immer auf die Schneekonsistenz an. Wenn der Schnee sehr kompakt ist, kann es sein, dass auch die Suchhunde nicht mehr viel riechen können.
Wie lange können Personen überleben, die von einer Lawine verschüttet wurden?
Das ist unterschiedlich. Wenn eine Person keine mechanischen Verletzungen hat und nur verschüttet ist, kommt es darauf an, wie tief sie unter dem Schnee liegt und wie kompakt der Schnee ist. Je nach Schneekonsistenz können sich Verschüttete eine Atemhöhle schaffen und haben somit höhere Überlebenschancen. Normalerweise sinken die Überlebenschancen aber nach den ersten 15 bis 20 Minuten rapid. Es gibt aber auch Fälle, bei denen Personen über mehrere Stunde verschüttet waren und trotzdem überlebt haben.