Fast zehn Jahre lang war Martin Ziegler (54) der höchste Richter im Kanton Schwyz. Jetzt muss er sich selber vor Gericht verantworten. «Ich habe gegen ihn Anklage erhoben», sagt der ausserordentliche Staatsanwalt Beat Schnell (63): «Amtsanmassung lautet der Vorwurf – eventuell Amtsmissbrauch, darüber wird das Gericht entscheiden.»
Die Schwyzer Justiz sorgte nach Zieglers Amtsantritt für positive Schlagzeilen. «Die Richter arbeiten speditiver», titelte eine Lokalzeitung 2005. «Die Gerichte urteilen gut», hiess es auch 2008. Doch im März 2009 folgte der Mordfall Lucie. Mit ihm begann der Schwyzer Justizskandal.
Als das Au-pair-Mädchen Lucie (†16) verschwand, forderten die Ermittler die Handy-Verbindungsdaten der Vermissten an. Sie erhielten sie erst nach fünf Tagen – da war Lucie bereits tot. Für die späte Herausgabe der Daten sei Martin Ziegler verantwortlich, behauptete Untersuchungsrichterin Christina Müller (44) später im «Schweizer Fernsehen».
Ziegler bestritt den Vorwurf. Doch der Kantonsrat wollte es genau wissen. Er setzte eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ein – die erste überhaupt im Kanton Schwyz.
Im September 2009 wurden die wichtigsten Ergebnisse vorgestellt: Auch mit Hilfe der Handydaten hätten die Ermittler Lucie nicht retten können. Zudem habe der Fehler bei der Bundesbehörde gelegen, welche die Daten nicht herausgegeben hatte.
Der Richter war entlastet. Bis der «Tages-Anzeiger» an den vollständigen Bericht der PUK gelangte. Und Passagen zitierte, die Ziegler sehr wohl belasteten. Er sei «massgeblich mitschuldig an der verzögerten Auslieferung der Handydaten». Ziegler stand erneut in der Kritik. Er wollte offenbar herausfinden, wer den Medien den Bericht zugespielt hatte und «verlangte im Namen des Kantonsgerichts von einem Mitarbeiter der kantonalen Verwaltung die Telefon- und Faxranddaten von Untersuchungsrichtern», so Staatsanwalt Schnell. «Das Gericht muss nun entscheiden, ob er dazu befugt war.»
Obwohl Ziegler beteuerte, stets legal gehandelt zu haben, wurde er nicht mehr zur Wiederwahl empfohlen. 2012 trat er zurück. «Die Höhe der geforderten Strafe werde ich erst am Prozess bekanntgeben», sagt Schnell. Bei einer Verurteilung wegen Amtsanmassung drohen bis zu drei Jahre Haft.
Zieglers Anwältin bezeichnete die Anklage gestern als «inhaltlich abwegig». Das Kantonsgericht habe die Telefondaten auf ausdrücklichen Wunsch der Staatsanwaltschaft vermittelt. Ziegler habe «einzig pflichtgemäss Rechtshilfe geleistet». Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.