Am 23. Oktober erhält der 28-jährige Emmer A.D. einen Brief von der Luzerner Kriminalpolizei. Als er ihn öffnet, folgt der Schock: «Vorladung» prangt in grossen Lettern auf der ersten Seite des Schreibens.
Weiter unten steht: «Sie werden gemäss Verfügung der Staatsanwaltschaft Emmen [...], vom 21.10.2015 persönlich zur Abgabe eines Wangenschleimhautabstriches (WSA) vorgeladen. Betrifft: Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung/Vergewaltigung vom 21.07.2015, z.N. von Frau S. in Emmen, Dammweg.»
Erst jetzt wird D. klar, worum es geht: Er ist einer der 372 Männer, welche die Staatsanwaltschaft Luzern wegen der Vergewaltigung von Emmen zum Massen-DNA-Test aufgeboten hat. «Im ersten Moment blieb mir kurz das Herz stehen. Dann habe ich aber realisiert, was der Brief zu bedeuten hat», sagt der Schweizer mit Migrationshintergrund zu BLICK.
«Bekannte erhielten dasselbe Schreiben»
In den darauffolgenden Tagen habe er dann erfahren, dass Bekannte aus seinem Umfeld ebenfalls zum Test antraben mussten. «Im Fussballklub meines Bruders erhielten zwei Albaner und ein Italiener dasselbe Schreiben. Sie wurden von den Teamkollegen deswegen ausgelacht – aber nicht böse.»
Keine zehn Minuten habe schliesslich der Test im Kantonsspital Luzern gedauert. «Eine Frau hat Fragen zu meiner Person gestellt, etwa wie lange ich schon in der Schweiz lebe», erinnert sich D. «Ausserdem wollte sie wissen, wo ich mich zum Zeitpunkt der Tat aufgehalten habe und ob ich das belegen kann. Dann kam schon der Wangenabstrich. Am Schluss sagte sie noch, jemand würde sich in drei bis vier Wochen bei mir melden. Ich habe aber seither nichts mehr gehört.»
Dass auch er unter den Vorgeladenen war, ist für D. rückblickend wenig überraschend. Wegen seines Migrationshintergrunds und weil er nicht weit vom Tatort entfernt wohne, sei er wohl automatisch im Topf der Verdächtigen gelandet. «Man weiss ja, dass der Täter gebrochen Deutsch gesprochen hat», sagt D. «Da ist es logisch, dass die Polizei zuerst Ausländer im Visier hat.»
Ergebnisse nächste Woche erwartet
Ob der DNA-Test ein Erfolg war, ist noch nicht klar. Die «Rundschau» berichtet, dass die Aktion erfolglos zu Ende gegangen sei. Demnach habe es keinen Treffer gegeben, zudem seien 16 Personen gar nicht erst zum Test erschienen. Die Luzerner Staatsanwaltschaft dementiert jedoch den Bericht: Es seien noch Tests offen, deshalb könne man nicht von einem Misserfolg sprechen, sagt ein Sprecher auf Anfrage.
Nächste Woche will die Staatsanwaltschaft offiziell zu den Ergebnissen informieren. Dann steht fest, ob der Vergewaltiger von Emmen gefunden wurde.
Der Unbekannte hatte am späten Abend des 21. Juli eine damals 26-Jährige in Emmen LU vom Velo gerissen und in einem Waldstück brutal missbraucht. Die junge Frau wurde dabei schwer verletzt und ist seither vom Hals abwärts gelähmt.
Weil die umfangreichen Ermittlungen nicht zum Täter führten, entschied sich die Staatsanwaltschaft Luzern für einen Massen-DNA-Test.