Zanetti auf den Spuren der AfD
SVP-Nationalrat will Kapital aus Berliner Attentat schlagen

SVP-Nationalrat Claudio Zanetti stellt auf Twitter einen Zusammengang zwischen dem Terror in Berlin und der Personenfreizügigkeit her. Den gibt es aber nicht.
Publiziert: 24.12.2016 um 18:55 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:44 Uhr
Will politisches Kapital aus Berlin schlagen: Claudio Zanetti, hier im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Foto: ALESSANDRO DELLA VALLE
Sermîn Faki

Nach dem Attentat in Berlin am Montag werden Politik und Sicherheitsbehörden hinterfragt. Wie war es möglich, dass der Lastwagen-Terrorist Anis Amri (†24) noch nach dem Anschlag von Deutschland über Frankreich nach Italien reisen konnte, ohne aufgehalten zu werden? Und wie konnte er Amri seit Jahren in Europa leben, ohne nach Tunesien ausgeschafft zu werden, obwohl er nie Asyl bekam?

Viele Politiker, vor allem aus dem rechten Spektrum, orten das Problem in den offenen Grenzen innerhalb Europas. Auch hierzulande. So twitterte der Zürcher SVP-Nationalrat Claudio Zanetti: 

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Zuvor hatte schon Frauke Petry, Vorsitzende der AfD Sachsen, auf dieser Klaviatur gespielt und auf Facebook politische Konsequenzen gefordert: «Merkel muss weg!» Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen und seit Donnerstag Petrys Ehemann, twitterte seine Meinung zum Anschlag in noch drastischeren Worten: «Es sind Merkels Tote!» 

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Den beiden Politikern wurde in Deutschland sofort vorgeworfen, das Attentat für den Wahlkampf zu instrumentalisieren.

Wenn schon, dann Schengen

Den Vorwurf der Instrumentalisierung kann man Claudio Zanetti ebenfalls machen. Denn er behauptet, dass das Attentat von Berlin mit geschlossenen Grenzen nicht möglich gewesen wäre. Und versucht so, aus der schrecklichen Tat innenpolitisch Kapital zu schlagen.

Mit der Personenfreizügigkeit hat das Attentat nämlich nichts zu tun. Dieses Abkommen gibt Staatsangehörigen der Schweiz und der EU-Mitgliedstaaten das Recht, Arbeitsplatz sowie Aufenthaltsort innerhalb der Staatsgebiete der Vertragsparteien frei zu wählen. Tunesier kommen da gar nicht vor. 

Amris Irrfahrt wurde hingegen vom Schengen-Dublin-Abkommen ermöglicht, dass unter anderem den Verzicht auf Grenzkontrollen zwischen der Vertragsstaaten vorsieht. Doch beide  Abkommen sind nicht einmal rechtlich verknüpft: Man könnte Schengen also kündigen, ohne dass die Personenfreizügigkeit betroffen wäre.

Zanetti meint die MEI

Dass Zanetti dennoch auf die Personenfreizügigkeit schiesst, hat weniger mit dem Terror-Anschlag in Berlin zu tun als mit der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative, die der SVP nicht passt.

Doch hätte man mit geschlossenen Grenzen den Terror-Anschlag in Berlin verhindern können? Zweifel sind angebracht: Gemäss dem Aussendepartement fanden auch vor dem Schengen-Abkommen «keinesfalls lückenlose und systematische Personenkontrollen statt, sondern es wurden lediglich rund drei Prozent der Grenzübertritte vertieft kontrolliert».

Terror gab es früher schon – auch in der Schweiz

Wie löchrig die Schweizer Grenze schon damals war, zeigten ausgerechnet Terroristen: Schon in den 1970er-Jahren verbreiteten die Mitglieder der deutschen Rote-Armee-Fraktion (RAF) grenzüberschreitend Angst und Schrecken. Auch in der Schweiz. So überfielen am 19. November 1979 Rolf Clemens Wagner, Peter-Jürgen Boock, Henning Beer und Christian Klar an der Bahnhofstrasse in Zürich die damalige Schweizerische Volksbank.

Das Quartett erbeutete 448'000 Franken. Bei der anschliessenden Verfolgung wurde in der Shopville-Unterführung eine 58-jährige Passantin tödlich von einer Kugel getroffen, zwei Polizisten erlitten Verletzungen. Einquartiert hatten sich die Terroristen in Freiburg und Lausanne.

Das zeigt, bei aller berechtigten Kritik an den Sicherheitsbehörden: Mit einfachen Antworten wird man den Problemen nicht gerecht.

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