Yasmina C. (25) litt jahrelang unter Menstruationsqualen – und wurde nicht ernst genommen
Wenn Frauen unter immensen Schmerzen leiden

Seit 15 Jahren lebt Yasmina C. (25) mit der Endometriose. Lange Zeit litt ihre Lebensqualität unter der Krankheit. Alleine in diesem Jahr wurden in der Schweiz zwei neue Endometriosezentren zertifiziert.
Publiziert: 12.07.2021 um 08:56 Uhr
|
Aktualisiert: 12.07.2021 um 15:11 Uhr
1/8
Heute kann Yasmina C. wieder lachen. Dass sie sich seit Jahren mit Schmerzen durchs Leben quält, sieht man ihr nicht an.
Foto: Philippe Rossier
Janina Bauer

Vier Ibuprofen-Tabletten am Tag. Anstatt zur Schule oder zur Arbeit zu gehen vor Schmerzen gekrümmt auf dem Sofa liegen. Dauerhaft erschöpft und müde sein. Ständig Verabredungen absagen. Den Lieblingssport aufgeben müssen. Diese Entbehrungen waren lange Zeit der Alltag von Yasmina C.* (25).

Die junge Frau aus Grenchen SO leidet an Endometriose. In ihrem Körper siedeln sich Gebärmutterschleimhautzellen auch an anderen Stellen an, bauen sich dort zyklisch auf und bluten ebenso ab. Die Erkrankung ist weit verbreitet, aber wenig bekannt. Das soll sich ändern: Allein dieses Jahr wurden bereits zwei weitere Endometriosezentren in der Schweiz zertifiziert.

Erste Schmerzen mit zehn

Bei Yasmina C. beginnt das Leiden mit zehn Jahren – mit der ersten Periode. Wegen starker Schmerzen nimmt ihre Mutter sie mit zu ihrer Frauenärztin. Ein prägender Termin: «Die Ärztin hat mir gesagt, Periodenschmerzen seien normal, ich solle mich nicht so anstellen. Von da an habe ich mich durchgequält!»

Zwei Jahre später geht es ihr noch schlechter. Sie steht wieder bei der Frauenärztin, wird wieder nicht untersucht. Yasmina ist heute noch geschockt: «Die Ärztin hat mir die Anti-Baby-Pille gegeben, als wären es Tic Tacs. Da war ich erst zwölf! Und über Nebenwirkungen aufgeklärt wurde ich auch nicht.» Yasmina wird nicht ernst genommen. «Mir wurde gesagt, du bist halt schmerzempfindlich.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Vertrauen in Ärzte verloren

Die junge Solothurnerin verliert das Vertrauen in die Ärzte – und noch schlimmer: auch das Vertrauen in sich selbst. Die Schmerzen werden unerträglich: Krämpfe, die ihr Tränen in die Augen treiben. Sie verkriecht sich vor Erschöpfung tagelang im Bett. Stuhlgang und Wasserlassen schmerzen so sehr, dass sie lieber mit Verstopfungen lebt. Die Krankheit bestimmt ihren Alltag – Monat für Monat.

Vergangenes Jahr stösst Yasmina dann im Internet auf die Endometriose und konfrontierte ihre Frauenärztin mit dem Verdacht. Diese blockt ab, dafür sei Yasmina zu jung. Schliesslich wird sie an eine Spezialistin verwiesen. Dort endlich Gewissheit: «Die Diagnose war pure Erleichterung. Zu wissen, dass ich kein Hirngespinst habe, sondern dass da etwas ist und man es sehen kann.»

OP schafft Linderung

Bei einer OP entfernten die Ärzte alle entzündeten Knoten und Verwachsungen aus ihrem Bauch. «Seitdem geht es mir viel besser.» Geheilt ist Yasmina jedoch nicht. Sie muss damit rechnen, dass die Verwachsungen wiederkommen: «Es wird sicher nicht meine letzte OP gewesen sein.»

Dass viele Frauen so lange auf ihre Diagnose warten müssen, können Stephanie Verta und Ivo Fähnle, Leiter des Luzerner Endometriosezentrums, nicht verstehen. «Es braucht mehr Information, mehr Bewusstsein. Frauenärzte müssen bei Patientinnen mit periodisch auftretenden oder chronischen Unterleibsschmerzen umgehend an Endometriose denken», so Fähnle.

Fehlendes Bewusstsein bei Beschwerden

Das fehlende Bewusstsein über die Erkrankung und deren Tragweite habe auch sexistische Ursprünge, erklärt Fähnle. «Seit Tausenden Jahren wird die Periode tabuisiert und als unrein dargestellt. Bis heute leben wir in einer patriarchalischen Gesellschaft, in der Periodenschmerzen als normal gelten und Frauen aufgrund der Periode diskriminiert werden.»

Das Problem mit der Endometriose: Die Wissenschaft versteht die Krankheit noch nicht richtig. Zurzeit wird an der Grundlagenforschung gearbeitet. Deswegen sei es ganz besonders wichtig, dass betroffene Frauen über ihre Erkrankung sprechen, sagt Stephanie Verta.

Das sieht auch Yasmina C. so. Obwohl die Endometriose sie Verzicht, Schmerzen und ihren Kinderwunsch kostet, bleibt die junge Frau positiv. Ihr grösster Wunsch: schmerzfrei bleiben.

*Name bekannt

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?