Wunder Punkt im ÖV-Land Schweiz
Velofahrer auf dem Abstellgleis

In Ersatzbussen werden Velos grundsätzlich nicht transportiert – Radfahrer sehen Verbesserungspotenzial.
Publiziert: 16.08.2020 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2020 um 10:59 Uhr
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In Kerzers FR ist letzte Woche eine Velofahrerin ausgerastet. Der Chauffeur hatte die Frau aufgefordert, mit ihrem Velo einen anderen Ersatzbus mit mehr Platz zu nehmen.
Foto: Zvg
Milena Stadelmann

Das Video ging viral: Eine Frau beschimpft den Postauto-Chauffeur und droht ihm Schläge an. Der Streit begann, als die 29-Jährige ohne Maske, aber mit Velo einsteigen wollte.

Das Postauto fuhr im Auftrag der BLS als Bahnersatz zwischen Kerzers FR und der Stadt Bern. Der Chauffeur hatte die Frau aufgefordert, mit ihrem Velo ­einen anderen Ersatzbus mit mehr Platz zu nehmen.

Ihr Ausraster war sicher extrem. Die Szene deutet aber auf einen wunden Punkt im ÖV-Land Schweiz hin: Ist eine Bahnstrecke gesperrt – etwa wegen Bauarbeiten – und kommt ein Ersatzbus zum Einsatz, werden Fahrräder grundsätzlich nicht transportiert.

Grundsätzlich gilt was die App angibt

Die Chauffeure dürfen zwar je nach Gegebenheiten eine Ausnahme machen – im Grundsatz gilt aber, was die App der SBB angibt: «Velos: Keine Beförderung möglich.» So wurden auf der Strecke zwischen Bern und Freiburg im Prinzip bis gestern drei Wochen lang keine Fahrräder transportiert. Velofahrer waren auf die Kulanz des Chauffeurs angewiesen – oder mussten auf einen Umweg von mehr als einer Stunde Fahrzeit ausweichen.

Beim Bundesamt für Verkehr kennt man das Problem. Das BAV drängt sogar darauf, dass bis zum kommenden Jahr «die Mitnahme von Velos in Zügen und Bussen erleichtert wird». So steht es in einem Papier des Bundes mit dem Titel «Stärkung der Passagierrechte im öffentlichen Verkehr».

Christoph Merkli von Pro Velo Schweiz sieht dennoch weiteren Verbesserungsbedarf bei Transportunternehmen. Er wünscht sich für Reisende mit Fahrrad – nicht nur in Ersatzbussen – eine bessere Kennzeichnung von Velo­plätzen, Alternativen und Kapazitäten. Der Platz für Velos sei häufig knapp, vor allem zu Spitzenzeiten und im Freizeitverkehr.

BLS hat reagiert

Die BLS hat auf diese Bedürfnisse ein Stück weit reagiert und die sogenannten Multifunktionszonen in den Zügen mit Veloplätzen ausgebaut. Postauto setzt in Graubünden und im Wallis Anhänger ein, um die hohe Nachfrage im Tourismusverkehr zu decken.

Die SBB haben an den Wochenenden die Kapazitäten für den Velotransport zwischen Bern und Brig sowie Zürich und Chur erhöht.

Trotz dieser Verbesserungen steht fest: Damit Überraschungen und rote Köpfen vermieden werden, bleibt bei der Reise mit dem Velo eine sorgfältige Planung nach wie vor wichtig.

Die wütende Frau in Kerzers hatte das offenbar nicht bedacht.

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