Die Schweiz stecke nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in einem Dilemma, sagte Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer am Freitag am «Tag der Wirtschaft». 30 Monate nach Annahme der Initiative gebe es noch immer keine Lösung für deren Umsetzung.
Karrer geht davon aus, dass der «Brexit», das Austrittsvotum Grossbritanniens aus der EU, die bereits schwierige Suche nach einer Lösung noch komplizieren wird.
Staatssekretär Jacques de Watteville äusserte sich dagegen zuversichtlich. «Sicher, wir kommen in eine delikate Phase, in der sich die Positionen verhärten. Aber ein Fenster für eine Gelegenheit öffnet sich», sagte der Leiter der Verhandlungen für die Beziehungen der Schweiz mit der EU:
Bundespräsident Johann Schneider-Ammann bekräftigte seine Meinung, dass sich eine pragmatische Lösung finden werde. Die Verhandlungen würden fortgesetzt. Für den kommenden 19. September sei ein Treffen zwischen ihm und dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, anberaumt.
De Watteville und Karrer hoben im weiteren die Notwendigkeit hervor, den bilateralen Weg zu konsolidieren. Denn die bilateralen Verträge hätten einen positiven Einfluss auf das Wirtschaftswachstum, sagte Karrer. Ohne die Verträge würde das Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Bewohner dieses Landes um 5,7 Prozent tiefer ausfallen, was einem Betrag von 4400 Franken weniger entspreche pro Jahr und Kopf der Bevölkerung.
Wenn diese Verträge verschwänden, wäre die Gesamtheit der Beziehungen mit Europa bedroht. Die EU sei aber für zwei Drittel der Schweizer Handelsbeziehungen verantwortlich. Es sei deshalb sehr wichtig, den Zugang zum innereuropäischen Markt beizubehalten.
Zum Brexit sagte Karrer, man müsse jetzt rasch Diskussionen mit Grossbritannien aufnehmen. Denn dieses Land sei ein wichtiger Handelspartner für die Schweiz.
Karrer fordert die Wirtschaftsvertreter auch auf, sich stärker zu engagieren, wenn sie von einem politischen Projekt betroffen seien oder betroffen sein würden. Er sprach sich für die Unterstützung der Unternehmenssteuerreform III aus. Ein Scheitern hätte gravierende wirtschaftliche Folgen und würde zu hohen Steuerausfällen führen. Gewinnsteuereinnahmen im Betrag von 5,3 Milliarden Franken wären gefährdet, sagte er weiter.
Die Schweiz dürfe sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Sicher gehöre die Schweizer Wirtschaft zu den innovativsten. Dies bestätige auch der aktuelle Bericht der EU-Kommission. Daraus gehe aber auch hervor, dass die Innovationskraft der Schweiz deutlich verlangsamt sei gegenüber jener der EU, sagte Karrer weiter.
In den Augen der Wirtschaft sind in der Schweiz auch mehr Investitionen in die Bildung notwendig. ETH-Präsident Lino Guzzella strich in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Schweizer Beteiligung am Forschungsprogramm Horizon 2020 hervor.