Wut wegen Polizeieinsatz bei 1.-August-Rede von Sommaruga
«Wir wurden wie Tiere gefilmt und gefilzt»

Während Simonetta Sommaruga am Dienstagabend über Rhabarber sprach, führte die Polizei Basel-Landschaft mehrere Personen vom Festgelände – gefesselt mit Kabelbindern. Auch der Vater eines 6-jährigen Buben wurde mitgenommen – das Kind blieb allein zurück.
Publiziert: 01.08.2018 um 10:30 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:56 Uhr
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Die Polizei durchsuchte am Dienstagabend an der 1.-August-Feier in Muttenz mehrere Festbesucher.
Foto: Leserreporter
Nicola Imfeld und Helena Schmid

Es hätte eine ausserordentlich schöne 1.-August-Feier in Muttenz BL werden sollen. Nicht nur das Wetter spielte am Dienstagabend mit, es war auch noch eine Bundesrätin zugegen: Justizministerin Simonetta Sommaruga höchstpersönlich hielt die Festrede.

Dementsprechend viele Bürgerinnen und Bürger waren auf den Muttenzer Kirchplatz gepilgert. Sie alle wollten mit Freunden und Bekannten einen geselligen Abend verbringen und den Worten der Frau Bundesrätin lauschen. Doch für einige entwickelte sich das Fest zum Frust!

Die Kantonspolizei Basel-Landschaft, die mit mehreren Kastenwagen vor Ort war, führte kurz vor dem Auftritt von Sommaruga nämlich Personenkontrollen durch. Polizeisprecher Adrian Gaugler bestätigt den Einsatz gegenüber BLICK. Der Grund: «Wir haben Hinweise erhalten, dass es während der Rede zu Zwischenfällen von Rechts- und Linksextremen kommen könnte», so der Sprecher.

Papa abgeführt – Sohn (6) bleibt allein zurück

Resultat: Familienväter und Mütter werden abgeführt und mit Kabelbindern gefesselt – vor den Augen ihrer Kinder. Daneben hielt die Bundesrätin ihre Rede, sprach über Krieg, Flucht, Heimat – und Rhabarber (hier die ganze Rede im Wortlaut).

Davon bekam Besucher Juli P.* wegen der Polizeikontrolle wenig mit. Auf Facebook macht er seinem Ärger Luft: «Ich bi grundlos mit 3 anderne vom Tisch gholt und mitgno worde vo 4 Polizischte zur Abklärig, will mer schiins vom Schwizer Nochrichtedienst beschribe worde sind.» Sein sechsjähriger Sohn habe sich zu diesem Zeitpunkt beim Brunnen vergnügt. «Zum glück isch e bekannte näbe dra gschtande woni ha könne sage «wart bitte do, bis min 6-jährige Sohn vom Brunne zrugg kunnt», sunsch hätt er kei ahnig gha, wo ich bin!!!»

Wut-Post auf Facebook: Vater Juli P. wurde abgeführt - sein Sohn (6) blieb zurück.

Auch gegenüber BLICK meldeten sich mehrere wütende Leser. Thomas Beutler* (36) war einer der Betroffenen. Er kam gegen 20 Uhr mit seiner Frau auf dem Dorfplatz an. «Wir haben an einem Festbank Freunde begrüsst. Wenige Augenblicke später standen zwei Polizisten neben uns und forderten die Menschen am Tisch auf, sich 30 Meter weg vom Geschehen zu begeben.» Die meisten hätten dieser Anweisung Folge geleistet.

15 «Verdächtige» kontrolliert

Das auch, als die Polizisten die Anwesenden «sehr unfreundlich» nach ihren Ausweisen fragen. Auf ihre Nachfragen, weshalb sie sich ausweisen müssten, hätten die Beamten nicht reagiert. «Nach rund zehn Minuten haben die Polizisten uns und Menschen an anderen Tischen befohlen, mitzukommen. Wir kannten die meisten gar nicht», so Beutler.

Nach Angaben von Polizeisprecher Gaugler habe man insgesamt 15 Festbesucher zur Kontrolle mitgenommen, die den Beamten verdächtig vorgekommen seien. «Die Beamten haben sie bewusst abseits des Festgeländes kontrolliert, um den Festbetrieb nicht zu stören», sagt Gaugler.

Für die Kontrollen habe man die Personalien aufgenommen, Hosensäcke kontrolliert und die Personen abgetastet. Der Betroffene Thomas Beutler wettert: «Wir mussten uns an die Wand stellen, wo wir wie Tiere gefilmt und gefilzt wurden.»

Mit Kabelbindern gefesselt

Und damit noch nicht genug: Als nächstes wurden die Menschen, laut Beutler alle über dreissig, in Kabelbinder gelegt und in «ein Polizeiauto mit Gitterstäben» gesteckt. Die Polizei erklärt: «Wir haben sie nur während der Aufnahme der Personalien mit Kabelbindern gefesselt. Um Ausschreitungen zu verhindern.»

Nach etwa 30 Minuten hatte der Spuk schliesslich ein Ende: «Uns wurde gesagt, dass Frau Sommaruga gegangen sei und wir unsere Wertsachen wieder nehmen dürfen», so Beutler. Die Polizisten zogen wieder ab.

Zu Festnahmen vor Ort ist es nicht gekommen. Auch wurde gegen keinen der Kontrollierten Anzeige erstattet, bestätigt die Kantonspolizei.

Die betroffenen Festbesucher sind sauer. «Die ganze Zeit über haben uns die Polizisten nicht gesagt, warum sie das machen. Am Schluss haben sie gar Sprüche gerissen und gesagt, jetzt können wir ja trotzdem noch ein paar Bierchen trinken gehen», sagt Beutler.

* Name geändert

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