Auf einen Blick
Eine düstere Tiefgarage. Eine Luxuskarosse fährt vor, zwei Männer steigen aus. Dann setzt im Hintergrund die Titelmelodie der Achtzigerjahre-TV-Serie «Knight Rider» ein. Auch Pyrotechnik knallt. Ein Trailer für einen Hollywood-Actionfilm? Nein. Es handelt sich um Werbung für die deutsche Anwaltskanzlei Heinze & Partner, die im Kanton Schwyz eine Zweigniederlassung betreibt.
«Wir machen keine leeren Versprechungen. Wir machen Sieger», tönt eine Stimme aus dem Off. Mit dem Filmchen wenden sich die selbst ernannten «Rockstars der Anwaltsszene» – wie sie sagen, «mit einem Augenzwinkern» – an ein junges Publikum, das sich nicht als Sieger fühlt: Sie bieten insbesondere Rechtsbeistand für Studentinnen und Schüler, die eine Prüfung verhauen haben.
Zielgruppengerecht wirbt die Kanzlei für ihre Dienstleistungen nicht nur im Internet, sondern auch über Instagram und Facebook. Auf Facebook ist etwa zu lesen: «Die Chancen für ein erfolgreiches prüfungsrechtliches Verfahren stehen oft gut!»
«Geringe Erfolgsquote»
Das sieht Rechtsanwältin Anja Josuran-Binder anders. Sie ist unter anderem auf Bildungsrecht spezialisiert und schätzt die Erfolgschancen deutlich schlechter ein: «Gerade inhaltliche Bewertungsfehler werden in Beschwerdeverfahren sehr selten festgestellt.»
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Auch der Zürcher Anwalt Elias Ritzi spricht von einer sehr geringen Erfolgsquote, insbesondere bei der Anfechtung von Prüfungsnoten. Und: «Es lohnt sich auch sonst meist nicht, bis vor Bundesgericht zu gehen: In all den Jahren, die das dauert, und mit dem Geld, das so ein Prozess kostet, lässt sich bisweilen ein ganzes Studium in einem anderen Gebiet absolvieren und finanzieren.»
«Grösste Unterschiede zwischen schweizerischem und deutschem Recht»
Die Einschätzung hänge vom Einzelfall ab, heisst es beim Brüderpaar Heinze. «Wir prüfen unsere Fälle sorgfältig und finden in unseren Fällen oft formelle oder inhaltliche Fehler», schreiben sie weiter. Der Erfolg hänge letztlich auch davon ab, wie weit Mandantinnen und Mandanten durch die Instanzen zu gehen bereit seien.
Und wie verhält es sich mit den Unterschieden im Schweizer und im deutschen Recht? «Von allen Rechtsgebieten sind im Verwaltungsrecht – und damit haben wir es hier zu tun – die Unterschiede am grössten», sagt Ritzi.
«Grobe Nachlässigkeit»
Ein Blick in Auftrags- und Mandatsbedingungen der Kanzlei, die dem Beobachter vorliegen, irritiert: Darin beziehen sie sich auf eine «Verordnung des Obergerichts Schwyz». Eine solche Verordnung existiert gar nicht. Es handle sich möglicherweise um einen Formulierungsfehler, lässt die Kanzlei auf Nachfrage verlauten. Falls das so sein sollte, würden sie diesen gerne korrigieren. Und bezüglich ihrer Expertise in Schweizer Recht verweisen sie auf «die Anwaltsregister». Das Schwyzer Anwaltsregister listet aber keine Fachgebiete auf.
Bereits zweimal fuhr die Kanzlei vor dem Zürcher Verwaltungsgericht eine Schlappe ein, weil Fristen verpasst wurden. «Das Fristversäumnis ist der Beschwerdeführerin bzw. deren Rechtsvertreter als grobe Nachlässigkeit anzulasten …», steht im ersten Urteil, das mittlerweile vom Bundesgericht bestätigt wurde.
«Gegen anwaltliche Sorgfaltspflicht verstossen»
Der zweite Entscheid hält fest: «Durch sein prozessuales Verhalten hat der damalige Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin in grober Weise gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht verstossen.» Auch dieses Urteil zog die Kanzlei vor Bundesgericht, unterlag dort aber und gelangte danach an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Ein Urteil steht noch aus, Verfahren vor dem EGMR dauern durchschnittlich mehr als sechs Jahre. Zu laufenden Verfahren wolle man sich nicht äussern, sagen die Brüder Heinze.
Die 18-jährige Vanessa Kümmler, ihren richtigen Namen anonymisieren wir aus naheliegenden Gründen, stiess im Internet auf die Kanzlei. Für die Erstberatung sollen Heinze & Partner 390 Franken verlangt haben. Gleichentags schickte die Kanzlei der jungen Frau drei E-Mails mit der Aufforderung, sie solle die Mandatserklärung unterzeichnet zurückschicken. Die letzte E-Mail traf mitten in der Nacht ein. Sie habe sich bedrängt gefühlt, sagt sie. Es habe wohl ein Fristablauf gedroht, sagen Heinze & Partner.
Stundenansatz bis zu 690 Franken
Vanessa Kümmler unterschrieb nicht. Trotz mässiger Erfolgsaussichten gehen solche Verfahren schnell ins Geld. Tatsächlich liegen die Preise der Kanzlei pauschal für einen Gerichtstermin bei 4950 Franken, die Stunde kostet bis zu 690 Franken.
Man vereinbare teils Pauschalpreise, teils Stundensätze, die sich im üblichen Rahmen in Deutschland und der Schweiz bewegen würden, sagt das deutsche Anwaltsbüro dazu. «Die üblichen Honoraransätze im Verwaltungsrecht belaufen sich im Kanton Schwyz auf zwischen 250 und 300 Franken die Stunde», sagt dazu Roger Brändli, Vizepräsident des Anwaltsverbands Kanton Schwyz.
«Reisserisch, aufdringlich und marktschreierisch»
Es stellt sich noch die Frage, ob diese Art von Werbung zulässig ist. Anwälte müssen gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte bei ihrer Werbung auf reisserische, aufdringliche und marktschreierische Methoden verzichten. Die Werbung muss objektiv sein und dem öffentlichen Informationsbedürfnis entsprechen. Dazu der auf Anwaltsrecht spezialisierte Walter Fellmann: «Im vorliegenden Fall lässt sich durchaus die Auffassung vertreten, die Werbung der fraglichen Kanzlei sei reisserisch, aufdringlich und marktschreierisch.»
Das Video sei längst von der zuständigen Anwaltskommission in der Schweiz und der zuständigen Rechtsanwaltskammer in Deutschland geprüft und jeweils als rechtmässig eingestuft worden, behaupten Heinze & Partner. Den Nachweis bleiben sie auf Anfrage schuldig. Und die Schwyzer Anwaltskommission beruft sich auf das Amtsgeheimnis.
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