Chris Schaumann fällt im Amphimax der Uni Lausanne sofort auf. Nicht, weil er wie manche Teilnehmer des «Smile for Future»-Klimagipfels pink, gelb oder blau gefärbte Haare hat, sondern weil er im Vergleich zu ihnen schlicht alt ist.
Der 46-Jährige ist einer der wenigen «Erwachsenen» bei der Klimabewegung «Fridays for Future». Die meisten sind Schüler. Auf dem Gipfeltreffen in Lausanne sind trotz der für viele weiten Anreise mehr als 40 Prozent der Teilnehmer unter 18. Die jüngste Teilnehmerin ist gerade mal zehn Jahre alt.
Schaumann stört das nicht. Die «Fridays», wie sich die Klima-Teenies auch nennen, anfangs schon. «Die haben mich komisch angeguckt, als ich in der Ortsgruppe in Frankfurt aufgetaucht bin.»
Der Ex-Manager durfte anfangs nur Schlafplätze markieren
Als ehemaliger Marketing-Manager dachte Schaumann, er könnte den Fridays vielleicht mit seinem Wissen helfen. «Aber die wollen nicht von Erwachsenen erzählt bekommen, wie es läuft.»
Also musste sich Schaumann erst beweisen. Bei einem Grossevent in Aachen (D) packte er Ende Juni mit an. Fünf Stunden markierte er mit Kreppband Schlafplätze in einer Tiefgarage – im «Parkhotel», wie die provisorische Gruppenunterkunft liebevoll genannt wurde. Danach hoffte er auf eine grössere Aufgabe. Doch sie hätten ihn Stühle schleppen lassen.
Schaumann fügte sich. Und war beeindruckt von den jungen Organisationstalenten. «Alles wird ad hoc gemacht. Da wird dann auch nicht lange diskutiert, wessen Aufgabe das jetzt ist.»
Auf einer Grossdemo machte Schaumann den Ordner. Beim Sommerkongress der Klimaschutz-Bewegung baute er in Dortmund (D) bei 42 Grad Zelte auf und fuhr drei Tage LKW. «Die hatten sonst niemanden, der einen 20-Tönner fahren darf.»
Das sechsstellige Gehalt hat Schaumann nicht gereicht
Jetzt, beim Klimagipfel in Lausanne, hat er sich hochgearbeitet. Er bringt sich als Moderator für Gruppendiskussionen ein und hält einen Workshop, wie bei Klimastreiks mehr Menschen mobilisiert werden können.
Nur: Warum macht er das alles?
Mit 39 Jahren war Chris Schaumann bei der Firma Nokia, die kurz darauf von Microsoft übernommen wurde, für das digitale Marketing weltweit zuständig. 600 Social-Media-Kanäle waren unter seiner Verantwortung, 80 Webseiten, 30 Onlineshops und alle digitalen Kampagnen. Die Arbeit nahm kein Ende, das Gehalt war üppig sechsstellig.
Mit 41 reichte es ihm. «Ich hab mir ausgerechnet, wie viel von meinem Ersparten ich bis zur Rente jeden Tag ausgeben darf, hab meine Wohnung in London gekündigt und bin los.» 108 Länder hat er insgesamt schon bereist. Zuletzt segelte er per Anhalter sieben Monate auf drei verschiedenen Privatbooten als Crewmitglied durch die ganze Karibik.
Dann wollte er eigentlich nur schnell einen Abstecher zu seinen Eltern machen. Sah, zurück in Deutschland, den Wutausbruch des Youtubers Rezo, der mit seinem Video über die deutsche Klimapolitik Ende Mai viral ging, und erschrak: «Wenn es nicht mal Deutschland schafft – wer dann?»
Der Ex-Manager will mit der Greta-Bewegung die Welt retten
Seine Nichten erzählten ihm von der Greta-Bewegung «Fridays for Future», die Schaumann auf seinem Segeltrip völlig verpasst hatte. In diesem Moment habe es bei ihm klick gemacht: «Erstens: Ich bin mitverantwortlich. Zweitens: Endlich gehen Schüler auf die Strasse!»
Eine Südafrika-Reise hat Schaumann erst mal verschoben. Privat will er ohnehin nicht mehr fliegen. Wie es für ihn weitergeht? Schaumann will unterstützen, wo er kann: Mehr als 40 Sub-Gruppen von «Fridays for Future» gibt es in Deutschland mittlerweile. Eltern, Wissenschaftler – sie alle organisieren sich jetzt für die Zukunft.
Nicht getraut hat er sich bislang allerdings, den jungen Klimaschützern seine grösste Klimasünde zu beichten. «Ich liebe Fleisch, Wurst, alles. Hier wirst du schräg angeguckt, wenn du mit einem Burger ankommst.»
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