Im Sommer 2020 verändert sich das Leben von Sven Minnig (45) aus Mühlebach VS dramatisch. Bei einem Sturz zieht sich der Videograf eine schwere Kopfverletzung zu. Diagnose: Schädel-Hirntrauma. Die Suva attestiert ihm chronische Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, einen Tinnitus. Der Oberwalliser zeigt Blick das Attest der Suva.
Zu den körperlichen Problemen kommen seit diesem Sommer für Minnig nun auch bürokratische hinzu. Der Walliser hat nämlich Mühe mit der Invalidenversicherung IV. Unter anderem schickt sie ihn drei Mal auf Zehn-Stunden-Zugreisen – dagegen unternehmen kann Minnig nichts. Damit aber nicht genug – auch versucht sie, bei Hotelrechnungen zu knausern.
Zehn Stunden unterwegs zur Untersuchung
Im Sommer 2023 will die IV Minnigs Fall abklären lassen. Dazu soll er an drei Tagen in St. Gallen untersucht werden. Von seinem Wohnort Mühlebach im östlichsten Teil des Wallis sind das hin und zurück fast 450 Kilometer! Mit dem öffentlichen Verkehr braucht man je nach Verbindung um die fünf Stunden für eine Strecke. «Das sind sehr lange Tage», sagt Minnig. Er versteht nicht, warum man ihn nicht an einen deutlich näheren Ort für die Untersuchungen geschickt hat.
Dass Sven Minnig nach St. Gallen zur Untersuchung musste, ist dabei dem Zufall geschuldet. Martin Kalbermatten, Direktor der kantonalen IV-Stelle Wallis, sagt zu Blick, dass die Untersuchungen nach dem Zufallsprinzip an die einzelnen Gutachter-Kliniken im Land vergeben werden. Dies geht zurück auf ein Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 2011. «Das bedeutet, dass die IV-Stelle keinen Einfluss auf die Bestimmung der zuständigen Gutachterstelle im Einzelfall hat. So kann es kommen, dass die Versicherten leider teils lange Anfahrtswege in Kauf nehmen müssen.»
Am selben Tag zurück
Sven Minnig überlegt sich die Sache. Zehn Stunden Zugfahren, dazu noch die Untersuchungen? Zu viel für den 45-Jährigen. «Solche Belastungen, die lange Reise, die vielen Menschen. Das macht mein Kopf einfach nicht mit», sagt er.
Deshalb bucht Minnig für die Tage der Untersuchung eine Übernachtungsmöglichkeit. «Das hat mir die Sache sehr erleichtert, immerhin musste ich innert zwei Wochen dreimal nach St. Gallen.» Doch das auswärtige Schlafen hat seinen Preis. Für sechs Übernachtungen zahlt er über 1000 Franken. Minnig übernachtete schon am Vortag der Untersuchungen in St. Gallen. «Ich hoffte darauf, dass die IV einen Teil der Kosten übernehmen würde», sagt Minnig. Doch es kommt anders. Zunächst. Die IV übernimmt zwar die Kosten für die Reise, das Geld für die Übernachtungen aber wird gestrichen. Der Walliser IV-Direktor Kalbermatten erklärt: «Ob eine Rückkehr an demselben Tag zumutbar ist oder nicht, beurteilt sich auf den konkreten Umständen des Einzelfalles.» In Sven Minnigs Fall schien dies nicht der Fall zu sein.
Das versteht der Videograf nicht. «Die gesundheitliche Belastung der Reise scheint keine Rolle zu spielen», sagt er: «An einem der drei Termine hatte ich bis 17 Uhr Untersuchungen. Danach noch mit dem ÖV nach Hause kommen, ist unmöglich.» Denn für die letzte Verbindung in Minnigs Heimatdorf ist das zu spät.
Ein Hotelzimmer für 37.50 Franken?
Blick hakte wegen der Bezahlung für das Hotel nach. Und plötzlich sagt IV-Kalbermatten: «Sven Minnig wird einen Teil der von ihm beantragten Kosten für die Unterkunft zugesprochen erhalten.»
Das freut den Walliser. Doch gibt es von ihm grundsätzliche Kritik, denn für eine Übernachtung erhalten die Versicherten maximal läppische 37.50 Franken. «Man möge mir das Hotel zeigen, in dem man für diesen Betrag übernachten kann.» Selbst wenn man Geld für die Übernachtung bekomme, lege man als Patient drauf, so Sven Minnig. «Bei vielen IV-Bezügern aber ist das Geld knapp! Der Betrag müsste deshalb dringend erhöht werden.»
Das ist im Moment aber nicht vorgesehen. Die IV-Hauptstelle in Bern teilt mit: «Aktuell sind uns keine parlamentarischen Vorstösse bekannt, welche auf eine Änderung der entsprechenden Verordnung abzielen.»
Für Sven Minnig ist deshalb klar: «Man muss auf sein Glück vertrauen, dass man nicht übernachten muss, wenn die IV einen zu Untersuchungen aufbietet.» Bei mehreren Abklärungen würden sonst schnell einmal ein paar Hundert Franken an Kosten auf die Versicherten zukommen.
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