«Die Stadt will uns unser Land wegnehmen, entschädigen will sie uns aber nicht», sagt Leander Williner (71). Er steht auf den 3000 Quadratmeter Bauland, die seine Familie in Brig-Glis VS besitzt. Der Senior schätzt den Wert auf rund eine Million. Williners Grundstücke liegen im Süden von Brig-Glis, grenzen an ein bereits gut erschlossenes Quartier. Doch der Millionen-Wert könnte sich schon bald in Luft auflösen.
Denn die Baulandreserven in der Stadtgemeinde Brig-Glis VS sind zu gross. Um das Zubetonieren der Landschaft zu verhindern, hat das Stimmvolk deshalb entschieden: Die überschüssige Bauzone soll wieder zum Acker werden.
Konkret: Nach der letzten Revision des Raumplanungsgesetzes müssen rund 18 Hektare zu Landwirtschaftszone zurückgezont werden. Den Wert der betroffenen Parzellen schätzen die Behörden auf etwa 50 Millionen Franken!
Rund 70 Bodenbesitzer könnten in der Gemeinde betroffen sein. Sie hoffen auf eine angemessene Entschädigung. Doch hinter verschlossenen Türen suchen die Behörden nach Wegen, um möglichst viel Geld zu sparen. Das belegen interne Protokolle, die Blick vorliegen.
Die brisanten Abklärungen
Im März 2023 findet eine Sitzung der zuständigen Raumplanungskommission statt. Ein Gutachter verweist dabei «auf die Wichtigkeit der Raumplanungsgesetz-Konformität der bisherigen Zonennutzungplanung für die Beurteilung, ob es eine Entschädigung gibt oder nicht.» So steht es in den Protokollen.
Tönt kompliziert, könnte aber für betroffene Bodenbesitzer eine einfache Konsequenz haben: dass sie nicht entschädigt werden. Denn was der Gutachter meint, ist: Nur für Parzellen, die damals legal eingezont wurden, gibt es auch Entschädigungen.
«Illegale» Parzellen könnte es deshalb geben, weil schon im alten Raumplanungsgesetz (RPG) von 1980 vorgeschrieben war, dass die Baulandreserven einer Gemeinde nicht grösser sein dürfen, als der für die nächsten 15 Jahre erwartete Bedarf. Trotzdem wurde in vielen Gemeinden nach 1980 weiter eingezont, bis das verschärfte Raumplanungsgesetz diese Praxis 2014 beendete.
Des einen Freud...
Ende 2023 hält der Gutachter fest, dass die Zonennutzungsplanung in Brig-Glis «eher RPG-widrig» ist. So könnten die lokalen Behörden Millionen sparen, denn sie müssten keine Entschädigungen zahlen. Das finale Gutachten steht noch aus.
Isabelle Hanselmann, Stadtschreiberin von Brig-Glis, spielt auf Nachfrage von Blick die Bedeutung des Gutachtens herunter. Sie sagt: «Das Gutachten kann allfällige Kosten der Stadtgemeinde nicht senken. Darauf basierend erhält die Stadtgemeinde aber einen Überblick, mit welchen finanziellen Auswirkungen sie zu rechnen hat.»
... des anderen Leid
Ganz anders sieht das Bodenbesitzer Leander Williner. Er befürchtet: «Die nehmen mir mein Bauland weg – ohne Entschädigung! Und das, obwohl die Stadt selber die Hauptschuld an etwaigen Verfehlungen trägt.» Denn die heute «fragwürdigen» Parzellen seien vor Jahren von den kommunalen Behörden eingezont und auch vom Kanton Wallis bestätigt worden. «Meine Kinder hätten vor 15 Jahren auf der Parzelle problemlos bauen können.» Zudem hat Williner über die Jahre auch Grundstückssteuern bezahlt.
Für den 71-Jährigen ist klar: «Der Stadt ist aufgefallen, was da für Geldbeträge auf sie zukommen, wenn sie nichts unternimmt. Ich glaube, die Stadt hat kein Geld für die Entschädigungen.»
Gutachten als Waffe?
Stadtschreiberin Isabelle Hanselmann äussert sich zu dem Vorwurf nur indirekt. Sie sagt «Fest steht, dass die Stadtgemeinde keinen Einfluss darauf hat, ob die Bodenbesitzer entschädigt werden oder nicht. Es gibt gesetzliche Grundlagen sowie eine Rechtsprechung.»
Bei Streitigkeiten würden schlussendlich die Gerichte im Einzelfall zu entscheiden haben, ob ein Bodenbesitzer entschädigt werde oder nicht – «unabhängig davon, ob es sich die Stadtgemeinde leisten kann oder nicht», so Hanselmann.
Das weiss auch Leander Williner. Er sagt aber: «Mit dem Gutachten hat sich die Stadtgemeinde selbst ein mächtiges Instrument an die Hand gegeben, um uns Bodenbesitzer unter Druck zu setzen. Wenn wir gegen einen Entscheid für eine Nicht-Entschädigung vorgehen wollen, müssen wir unser eigenes Gutachten erstellen lassen.» Dazu hätten viele der Betroffenen aber weder das Geld noch das Durchhaltevermögen. Für Williner ist klar: Er wird um seinen Grund und Boden kämpfen.
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