Mutter in Haft, doch Camille (16) will nicht zum Vater
Nach 11 Jahren Flucht – Schweiz liefert Kindesentführerin an Frankreich aus

Erst die Scheidung der Eltern, dann die Entführung durch ihre Mutter in die Schweiz, ein Leben jahrelang im Unterschlupf bei einer Sekte – nun die Verhaftung und Auslieferung ihrer Mutter: Camille (16) lebt jetzt allein in der Waadt. Zum Vater will sie nicht.
Publiziert: 03.08.2022 um 01:32 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2023 um 11:10 Uhr
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Die Mutter hatte Camille 2011 aus Frankreich in die Schweiz entführt. Hier lebten die beiden bei einer evangelikalen Sekte unerkannt.
Foto: Französische Nationalpolizei

Familiendrama um Camille M.* (16). Ihre Mutter Priscilla war 2011 mit der damals fünfjährigen Tochter aus ihrer Heimat Frankreich geflohen. Wegen eines Rechtsstreits mit ihrem Ex-Mann. Die Franzosen stellten einen internationalen Haftbefehl aus. Mehr als ein Jahrzehnt gab es von der Mutter und Tochter keine Spur. Dann langte Interpol zu.

Am 22. Februar ging Priscilla M. in die Falle – zufällig, bei einer Verkehrskontrolle in der Waadt. Priscilla sass zusammen mit ihrer heute 16-jährigen Tochter im Auto. Am Dienstag, nach monatelangem gerichtlichem Hin und Her, wurde die Verhaftete von der Schweiz an Frankreich ausgeliefert. Dort warten auf die Frau neue Verfahren und insgesamt mindestens fünf Jahre Haft ohne Bewährung wegen Kindesentzug und Verleumdung.

Priscilla M. und ihre Tochter Camille waren elf Jahre auf der Flucht und hatten sich offenbar im Kanton Waadt niedergelassen. Die beiden sollen bei einer sektenähnlichen evangelikalen Gruppe Unterschlupf gefunden haben. Camille befindet sich jetzt in Obhut der Waadtländer Behörden und geht in Morges VD zur Schule.

Camille will nicht zum Vater...

Dies nach einem zähen Auslieferungsverfahren. Die Mutter hatte sich vor Gericht besorgt um die Zukunft ihrer Tochter gezeigt, wie «Le Nouvelliste» berichtet. Sie, die Mutter, sei die einzige Familie der jetzt jungen Frau. Die Entwicklung ihres Kindes sei ihr Hauptanliegen.

Die Richter liessen dieses Argument nicht gelten. Sie waren der Ansicht, dass es für Mutter und Tochter immer möglich sein wird, in Verbindung zu bleiben, und sei es nur per Telefon oder Brief.

Im April entschied die Waadtländer Justiz, dass Camille vorerst in der Schweiz bleiben soll. Sie steht jetzt unter Beistandschaft. Die Frage war erst, ob sie nach Frankreich zu ihrem Vater Alain C.* zurückkehre, der 11 Jahre nach ihr suchte und vor ihrem Verschwinden noch das gemeinsame Sorgerecht hatte. Camille, die ohne ihn aufgewachsen ist, habe vor Gericht «deutlich gemacht», dass sie ihn nicht sehen will.

... doch Vater wünscht Tochter zurück

Seiner Ex-Frau wirft C. vor, die gemeinsame Tochter regelrechter Gehirnwäsche unterzogen zu haben. In dem sektenähnlichen Umfeld habe sie Camille «jeden Tag sagen müssen, ‹dein Vater ist ein Vergewaltiger, dein Vater ist böse, dein Vater hat dich geschlagen, usw.›», sagte C. dem französischen TV-Sender BFM.

Er hoffe dennoch, seine Tochter bald bei sich aufnehmen zu können. «Alles ist vorbereitet, sie hat immer ihr eigenes Zimmer.»

* Namen der Redaktion bekannt

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