Auch am dritten Prozesstag gegen Fabrice Anthamatten (42) ging es um den Geisteszustand des Killers. Gestern kamen zwei französische Gutachter zu Wort. Das Duo hatte den Mörder der Sozialtherapeutin Adeline Morel († 34) mehrmals unter die Lupe genommen. Für Pierre Lamothe und Daniel Zagury ist Anthamatten nicht fassbar. «Er ist wie ein Kaleidoskop. In seinem Kopf hat es alles und das Gegenteil davon», so Lamothe.
Anthamatten sagte den Gutachtern, er habe im Hirn einen Orgasmus gehabt, als er Adeline die Kehle durchschnitt. «Das ist eine Art narzisstische Orgie, die über den sexuellen Orgasmus
hinausgeht», so die Psychiater. Das Gefühl der Dominanz über andere Personen, die allein von seiner Gnade abhängen, habe Anthamatten schon bei den Vergewaltigungen 1999 und 2001 gehabt. «Ich glaube, dieses Gefühl ist zentral», sagt Psychiater Zagury.
Anthamatten hat laut den Gutachtern ein gespaltenes Ich. «Er kann ganz normal erscheinen und gleichzeitig im Verborgenen ganz andere Gefühle haben. Diese sind nicht erkennbar.» Die beiden Psychiater attestieren ihm «im Moment und in naher Zukunft» ein sehr hohes Rückfallrisiko. «Eine langfristige Prognose ist unmöglich», sagte Zagury. Zwei Genfer Gutachter hatten am Dienstag gesagt, Anthamatten habe eine Krankheit (BLICK berichtete). Die Franzosen sind anderer Meinung: «Die Grundlagen seiner Persönlichkeit sind sehr bröcklig. Er ist aber nicht psychisch krank. Man kann also gar nicht über Heilbarkeit sprechen.»
Es komme vor, dass Täter sich änderten und weniger gefährlich würden. «Es ist aber zu früh, um zu sagen, ob das bei ihm auch funktionieren wird», meinte Lamothe.
Generalstaatsanwalt Olivier Jornot reagierte auf die Aussagen gereizt. Er wünschte sich klarere Antworten: «Ein Ja oder Nein.» Heute treten mehrere Zeugen auf, darunter auch der Lebenspartner von Adeline.