Richter Fabrice Roch (47) leitet den neuen Prozess gegen den Killer der Sozialtherapeutin Adeline Morel (†34) in Genf. Am Tag 2 muss er sich gestern sichtlich zusammenreissen. Roch, in Gerichtskreisen wegen seiner methodischen Art «Der Roboter» genannt, nervt sich über zwei französische Psychiater.
Die Experten erstellten ein Gutachten über den Killer Fabrice Anthamatten (42). In ihrem Heimatland gelten sie als Koryphäen.
Die beiden französichen Gutachter wurden schon beim ersten Prozess im letzten Oktober befragt. Das Gericht befand damals, sie hätten sich zu wenig Zeit für ihr Gutachten genommen. Der Prozess wurde schliesslich wegen Befangenheit der Richter abgebrochen (BLICK berichtete).
Kurzfristiges Treffen
Richter Roch fragt: «Wie lange trafen sie mit dem Beschuldigten zusammen?» Die Psychiater antworten: «Je zweieinhalb Stunden.» Einer bekam das Dossier erst kurz vor dem Treffen. «Ein grosser Teil des Falls war bereits halb-öffentlich oder öffentlich», rechtfertigt er sich. «Auf dem Rückweg nach Paris machte ich mir 60 Seiten Notizen.»
Zentraler Punkt des Prozesses ist die lebenslängliche Verwahrung. Voraussetzung dafür sind zwei voneinander unabhängige Gutachten, die besagen, dass Anthamatten längerfristig nicht therapierbar ist. Richter Roch versucht, die Experten festzunageln. «Er ist ein pervers gestörter Psychopath», antworten sie. «Bei einem Psychopathen kann man keine Therapie wie bei einer psychisch kranken Person anordnen. Er ist im psychiatrischen Sinn nicht krank.»
Es fehlten klinische Grundlagen und Studien, um festzustellen, ob Anthamatten längerfristig therapierbar sei. «Es gibt aber ein grosses Rückfallrisiko.» Dann wird relativiert: «Kurzfristig ist die Gefahr sehr hoch, mittelfristig ist es schwierig und langfristig unmöglich zu sagen.»
Anthamatten geniesst es
Der Adeline-Killer geniesst den Showdown. Er sitzt mit überschlagenen Beinen da, hört aufmerksam zu.
«Er will, dass wir glauben, dass er alles geplant hat. Etappe für Etappe», sagen die Gutachter. «Wir denken aber nicht, dass er alles plante oder alles improvisierte. Das ist nicht glaubhaft.» Anthamattens Vorgehen liege irgendwo zwischen diesen beiden Grenzen.
Richter Roch runzelt die Stirn. «Er ist vollumfänglich schuldfähig», sagen die Gutachter dann doch noch. Anthamatten sagte: «Ich hatte alles geplant, es geschah nicht aus einem plötzlichen Impuls heraus.» Am ersten Prozesstag hatte er noch das Gegenteil behauptet.
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