Die erste kommerzielle Implantation eines bionischen Auges bei einem Blinden ist Ende Oktober an der Jules Gonin Augenklinik der Universität Lausanne geglückt. Dabei sendet eine Kamera in einer Brille Bilder an einen tragbaren Computer. Dieser leitet die Signale an ein Implantat im Auge weiter, das über Elektroden verbleibende Netzhautzellen aktiviert.
Der Patient wird die Prothese in einigen Wochen unabhängig gebrauchen können und wieder sehen lernen, wie die Klinik heute mitteilte. Der Patient war wegen einer Retinitis pigmentosa, einer spontanen Netzhautdegeneration, erblindet. Nach Angaben der Ärzte verlief die Operation problemlos, und der Patient erholt sich gut.
«Es ist für uns sehr zufriedenstellend, dass die Medizin nun eine konkrete Lösung dafür bieten kann, dass vorher blinde Personen eine im täglichen Leben nützliche Sehkraft zurückerhalten, eine gewisse Autonomie erhalten und ihre Lebensqualität verbessern können», wird Thomas J. Wolfensberger, der die Operation durchgeführt hat, in der Mitteilung zitiert.
«Künstliche Netzhaut»
Mit der Aktivierung der Prothese wurde am 26. November begonnen. Das System namens Argus II wird nun allmählich auf den Patienten abgestimmt programmiert. In ein paar Wochen werde er es unabhängig gebrauchen können und zusammen mit Spezialisten mit der visuellen Rehabilitation beginnen.
Das System Argus II ist eine visuelle Prothese. Sie wird auch «künstliche Netzhaut» genannt und wurde von der Firma Second Sight Medical Products entwickelt. Eine winzige Kamera in der Brille nimmt dabei Bilder auf, sendet diese dann an einen kleinen, vom Patienten getragenen Computer.
Dieser verarbeitet die Signale und sendet sie über eine drahtlose Verbindung an das Implantat weiter. Diese Signale werden an Elektroden auf der Oberfläche der Netzhaut gesendet, von denen kleine elektrische Impulse ausgehen.
Netzhautzellen werden stimuliert
Diese Impulse umgehen die geschädigten Fotorezeptoren und stimulieren die verbleibenden Netzhaut-Zellen. Durch den Sehnerv ans Gehirn weitergeleitet, erzeugen diese Informationen eine Wahrnehmung von Lichtmustern. Der Patient muss lernen, diese Muster zu interpretieren, um ein gewisses Sehvermögen zurückzuerhalten.
Das Implantat wird heute weltweit von 90 Patienten benutzt - mit mehr als sieben Jahren klinischer Erfahrung für die ersten Patienten. Es wurde im Rahmen einer internationalen klinischen Untersuchung getestet, an der in Europa sechzehn Patienten teilnahmen, zwei davon aus der Schweiz.
Die erste kommerzielle Operation in der Schweiz wurde ermöglicht durch die Unterstützung von privaten Geldgebern und der Stiftung «Asile des aveugles». Sie kostet rund 130'000 Franken. In Deutschland und Frankreich wird die Operation von den Krankenkassen übernommen.
In der Schweiz müsse man bei neuen, besonders innovativen Behandlungsmethoden in der Regel drei bis fünf Jahre auf die Kostenübernahme warten, bedauert Grégoire Cosendai, Vizepräsident der europäischen Filiale des kalifornischen Unternehmens Second Sight, dessen europäischer Sitz sich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) befindet. (SDA/kab)
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