Fünf Armeekader wegen Bereicherung vor Gericht
«Das ist keine Jahrhundertaffäre!»

In Yverdon-les-Bains VD hat heute Morgen der Prozess gegen fünf Kader der Schweizer Armee begonnen. Sie sollen Ausrüstung und Infrastruktur der Armee privat genutzt haben.
Publiziert: 19.12.2016 um 08:30 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 14:34 Uhr
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Der Kopf der Bande, Alain B., steht heute vor Gericht.
Foto: Peter Gerber
Gabriela Battaglia

Die Militärjustiz liess die Bombe letzte Woche platzen: Fünf Infanterie-Kader der Schweizer Armee sollen über Jahre Ausrüstungsgegenstände und Infrastruktur der Armee für nichtdienstliche Zwecke verwendet und sich damit bereichert haben.

Heute Morgen hat der Prozess gegen die fünf Armeekader vor dem Militärgericht 2 in Yverdon-les-Bains VD begonnen. Die Angeklagten sind Kaderangehörige des Lehrverbandes Infanterie in Colombier NE.

Konkret wird ihnen Veruntreuung, Missbrauch von Material sowie Nichtbefolgung von Dienstvorschriften vorgeworfen. Ein Kadermilitär ist zudem wegen gewerbsmässigen Betrugs angeklagt.

Dubiose, private Organisation

Die Vorwürfe in der Anklageschrift sind happig. Der «Kopf» der Bande, Alain B.*, soll als Mitglied eines dubiosen privaten Vereins über 800'000 Franken persönliche Einkünfte «generiert» haben.

Dass B. ins Visier der Justiz gerät, war ihm alles andere als anzusehen: Der hochdekorierte Oberstleutnant galt als Vorzeuge-Kader und Patriot. Er schrieb Bücher und Konzepte, wie Rekruten das Schiessen lernen. Und er machte sich intensive Gedanken über die Weiterentwicklung der Armee.

So vorbildlich er sich zeigte, so unehrlich handelte er gemäss der Anklage: Es geht um teure, private Militärkurse für Zivilisten, welche er und seine Gruppe anboten und dafür Material der Armee bezogen. So benutzte die Gruppe unter anderem zwei Schiessplätze der Armee und eine Militärhalle in Payerne VD. Verkauft wurden nicht nur Militärkurse für Zivilisten, sondern auch Material, Munition und Handbücher.

Der Mann gab jeweils vor, Munition, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände wie Nachtsichtgeräte für den «Lehrverband» Infanterie zu beziehen. Die Munition wurde als «verschossen» angegeben, in Wahrheit diente sie als Munition für die teuren privaten Militär-Kurse. Auch die Reservation der Schiessplätze erfolgte unter diesem Deckmantel.

Geld auch für Familie

Fast sechs Jahre bemerkte niemand etwas: Die mutmasslichen Verstösse erfolgten von Januar 2008 bis Oktober 2013.

Der Hauptangeklagte verschaffte mit dem Geld auch seiner Frau ein reguläres Monatseinkommen von 1000 Franken, einem anderen Familienmitglied bezahlte er jeden Monat 500 Franken. Eine Drittperson bekam 2011 zudem 28'000 Franken und 2012 nochmals 15'000 Franken.

Für 99'000 Franken legte er sich auch ein veritables persönliches Waffenarsenal zu. Gemäss «Le Matin» waren darunter 193 Schusswaffen. Auf der Liste war unter anderem die Kalaschnikow. Die vier anderen angeklagten Infanterie-Kader, darunter ein Chef der Munitionsausgabe, waren Teil des Schwindels.

Verteidiger verlangen Rückweisung der Anklage

Die Verteidiger wollten von der Anklage nichts wissen: «Ein Untersuchungsrichter hat geglaubt, dass es sich um eine Jahrhundertaffäre handelt», sagte einer der Verteidiger, Robert Assaël, zum Auftakt des Prozesses. Alle fünf Verteidiger verlangten die Rückweisung der Anklage. «Es handelt sich um Leute, die begeistert von der Armee sind. Niemand weiss, wieso sie hier sind», so ein anderer Anwalt.

Wie sich das Gericht entscheiden wird, wird sich erst nächstes Jahr zeigen: Der Prozess dauert die ganze Woche, das Urteil folgt im Januar 2017. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Name der Redaktion bekannt

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