Übergriffe auf Kinder und Mitarbeiterinnen verschiedener Schulen erschüttern die eingeschworene Gemeinschaft der Piusbrüder. Schon lange standen Priester der Bruderschaft unter Verdacht. Im Frühjahr wurde der erste verurteilt, im Dezember musste sich auch der Walliser Piusbruder Frédéric A. (40) vor dem Appellationsgericht in Brüssel verantworten – wegen sexuellen Missbrauchs von minderjährigen Buben, alle unter 16 Jahre alt.
Unter anderem schilderte ein Elfjähriger, wie sich der Priester nachts in den Schlafsaal der Jungen schlich und ihn unter der Decke berührte. «Einmal zog er meine Pyjamahose herunter und lutschte an meinem Glied.»
Für seine Taten muss der Pater nun drei Jahre ins Gefängnis. Dabei waren der Bruderschaft seine Neigungen bekannt: 2005 beschwerten sich Eltern in Ecône VS, der Zentrale der Piusbrüder, Pater Frédéric habe ihren Sohn im Jugendlager von Arolla VS sexuell missbraucht.
Die Bruderschaft liess die Vorwürfe intern abklären und belegte den Priester mit Sanktionen: Zehn Jahre lang sollte er unter Beobachtung stehen, zudem erhielt er Internetverbot.
Der Justiz wurde der Fall nicht gemeldet – es bestehe keine Verpflichtung dazu, fanden Juristen, welche die Piusbruderschaft damals berieten. Offenbar war man überzeugt, den unkeuschen Bruder auch ohne Prozess auf den Pfad der Tugend zurückzubringen.
Doch trotz Kontaktverbot schlich Frédéric A. nachts von seiner Unterkunft zu den Schlafsälen der Kinder – die Gebäude waren über einen Gang miteinander verbunden. Der Generalsekretär der Piusbrüder, Chris-tian Thouvenot, gegenüber SonntagsBlick: «Er hätte sich niemals den Kindern nähern dürfen – er tat dies, indem er die lokalen Verantwortlichen täuschte.»
Zum Übergriff in Arolla sagt Thouvenot: «Die Eltern lehnten es ab, eine Strafanzeige gegen den Priester einzureichen.»
Der Fall von Frédéric A. ist nicht der einzige, der die Piusbruderschaft erschüttert.
«Der Schwere nicht bewusst»
Christophe R. (44) wurde im Mai 2017 in Frankreich zu 16 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Priester drei ihm unterstellte Lehrerinnen misshandelte und vergewaltigte. Die Taten geschahen in einer von den Piusbrüdern geführten Schule bei Paris. Auch in diesem Fall versuchten die Piusbrüder, den Priester intern zu sanktionieren. Man sei sich der Schwere der Taten nicht bewusst gewesen, hiess es später.
Avref, eine französische Organisation zur Unterstützung von Opfern religiöser Bewegungen und ihrer Familien, veröffentlicht auf ihrer Webseite immer wieder Aussagen von Betroffenen, die Priestern der Piusbruderschaft in die Hände gefallen sind. Ein Hinweis darauf, dass es möglicherweise weitere Opfer gibt.
Dennoch behauptet Generalsekretär Thouvenot: «Glücklicherweise kommen solche Vorfälle in unserer Gemeinschaft nur selten vor.»
Die Schweizer Bischofskonferenz bemüht sich seit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche um eine Aufarbeitung alter und aktueller Fälle (siehe Box).
Sie wies die Diözesen in der Schweiz an, Stellen einzurichten, wo sich Opfer solcher Übergriffe melden können. Die Piusbrüder beteiligen sich daran allerdings nicht, so Joseph Bonnemain (69) von der Schweizer Bischofskonferenz: «Unter den von uns veröffentlichten Zahlen sind keine Übergriffe der Piusbruderschaft enthalten.»
Übergriffe weiterhin intern geregelt
Er geht davon aus, dass die Piusbrüder Übergriffe ihrer Priester auch weiterhin intern regeln. Generalsekretär Thouvenot bestätigt für die Piusbruderschaft, dass man Vorfälle direkt nach Rom rapportiere, an den Vatikan. Die Gemeinschaft der Piusbrüder hat ihren Hauptsitz in Menzingen ZG. In Ecône im Unterwallis führt sie ein Priesterseminar. Hier hat auch ihr Bischof und Generaloberer Bernard Fellay (59) seinen Sitz.
Die Bischöfe der Bruderschaft St. Pius X. waren 1988 vorübergehend exkommuniziert worden. Der damalige Generalobere Marcel Lefebvre (1905–1991) hatte ohne Erlaubnis des Vatikans vier Bischöfe geweiht – unter ihnen Fellay.
Die Ordensgemeinschaft betreibt mehrere Schulen und Internate in der Schweiz, in Frankreich und Belgien. Die Bruderschaft wurde 1970 als Reaktion auf das zweite Vatikanische Konzil gegründet, das Mitte der 60er-Jahre eine Reform der katholischen Kirche anstrebte. Die Piusbrüder lehnen diese Modernisierung ab.
Opfer sexueller Übergriffe von Priestern oder anderen Mitarbeitern der katholischen Kirche können sich bei den Diözesen melden. Eine Kommission untersucht die Fälle und zahlt Entschädigungen – je nach Schwere des Falls. Der Opferfonds, mit einer halben Million Franken ausgestattet, war bereits Ende letzten Jahres aufgebraucht und musste – so der Sekretär der Schweizer Bischofskonferenz, Joseph Bonnemain (69), mit frischem Geld gefüllt werden: «Inzwischen haben die drei Errichtenden weitere 500'000 Franken zur Verfügung gestellt.»
Finanziert wird der Fonds von der Bischofskonferenz, der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz und der Vereinigung der Höheren Ordensoberen der Schweiz. Über die Verteilung entscheidet die Kommission. Anfang Januar vermeldete die «SonntagsZeitung», bei den Diözesen hätten sich bisher 250 Opfer sexueller Übergriffe durch Priester gemeldet. Opfer waren vor allem Kinder und Jungen bis 16 Jahre.
Opfer sexueller Übergriffe von Priestern oder anderen Mitarbeitern der katholischen Kirche können sich bei den Diözesen melden. Eine Kommission untersucht die Fälle und zahlt Entschädigungen – je nach Schwere des Falls. Der Opferfonds, mit einer halben Million Franken ausgestattet, war bereits Ende letzten Jahres aufgebraucht und musste – so der Sekretär der Schweizer Bischofskonferenz, Joseph Bonnemain (69), mit frischem Geld gefüllt werden: «Inzwischen haben die drei Errichtenden weitere 500'000 Franken zur Verfügung gestellt.»
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