Das Projekt im Unterwallis war gut aufgegleist: Die Pläne für den Windpark beim Grossen Sankt Bernhard wurden von der Gemeindeversammlung einstimmig angenommen, und auch die kantonalen Ämter gaben grünes Licht. Doch dann gingen gleich mehrere Einsprachen gegen die sieben Windräder ein.
WWF, Birdlife, Helvetia Nostra und die Stiftung Landschaftsschutz legten ihr Veto gegen das Vorhaben des privaten Promotors Swisswinds Development ein. Im Mai lehnte der Walliser Staatsrat die Einwände ab und erliess nur wenige Auflagen. Doch auch dagegen legten die Verbände Beschwerde ein. In den nächsten Wochen wird ein Entscheid des Kantonsgerichts erwartet.
Das Projekt im Unterwallis ist nur ein Beispiel von vielen. Derzeit sind schweizweit fünfzig vergleichbare Projekte in Vorbereitung – zwölf davon sind vor Gericht hängig.
Sieben Prozent durch Windkraft
Doch nun kommt Bewegung in die Sache. Soeben hat das Kantonsgericht Waadt ein wegweisendes Urteil gefällt: Es hat sich für den Windpark «Sur Grati» im Waadtländer Jura ausgesprochen. Dereinst sollen bei Vallorbe sechs Turbinen 11'000 Haushalte in der Region mit Strom versorgen. Bemerkenswert an dem Waadtländer Urteil: Die Richter gewichten den Ausbau der erneuerbaren Energie höher als die Einwände von Natur- oder Landschaftsschützern. Denn der Ausbau der Windkraft gilt seit der Annahme der Energiestrategie 2050 als erklärtes Ziel der Schweiz.
Bis 2050 will der Bund sieben Prozent des Schweizer Strombedarfs durch Windkraft decken. 2017 sagte das Volk dazu ausdrücklich Ja. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten 120 Windparks mit 500 bis 800 Windrädern gebaut werden. Stand heute, sind es allerdings nur 37 an 13 Standorten – eben weil sich die Landschaftsschützer und Bürgerkomitees so hartnäckig gegen die Windparks wehren.
Reto Rigassi ist Geschäftsführer von Suisse Eole, dem Interessenverband der Schweizer Windenergie. Nach dem Gerichtsentscheid aus der Waadt sieht er die Windkraft endlich im Aufwind. Für die kommenden Monate erwartet er weitere Richtersprüche zugunsten der Windkraft.
So steht in den nächsten Wochen ein Bundesgerichtsentscheid zu einem geplanten Windpark bei Grenchen SO an. Die Naturschutzorganisation Birdlife hatte ein vorangegangenes Urteil ans Bundesgericht weitergezogen.
Werner Müller von Birdlife Schweiz betont, dass ungeachtet der Energiestrategie des Bundes bei jedem Projekt eine Abwägung zu treffen sei: «Das Natur- und Heimatschutzgesetz ist wegen der Energiewende nicht ausser Kraft.» Geplante Windanlagen prüfe Birdlife Schweiz auf ihre Naturverträglichkeit. «Genau gleich wie bei anderen Eingriffen in naturnahe Gebiete.»
«Spagat wird immer grösser»
Raimund Rodewald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz sieht voraus, dass der Spagat zwischen Landschafts- und Klimaschutz immer grösser wird. Die neuen Gerichtsurteile hätten die Lage nicht vereinfacht: «Wir besprechen nun auf höchster Ebene unsere künftige Strategie.»
Windparks bekämpfe die Stiftung Landschaftsschutz nicht grundsätzlich, denn man habe die Energiestrategie 2050 mitgetragen, wie Rodewald erklärt. «Einzelne Windparks unterstützen wir auch aktiv oder legen dagegen bewusst keinen Rekurs ein.»
Für den geplanten Windpark im Unterwallis kommt der Wandel in der Rechtsprechung rechtzeitig. «Swisswinds hat schon sehr viel in das Projekt investiert. Wir hoffen, dass wir angesichts des gut aufgegleisten Dossiers bald am Ziel sind», sagt der Walliser alt Staatsrat Thomas Burgener (65). Er steht dem Unternehmen als ehemaliger Energieminister beratend zur Seite.
Bei den Wahlen am 20. Oktober haben die Grünen im Parlament stark zugelegt – vor allem wegen der Klimadebatte. Burgener: «Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, warum Umweltorganisationen und Landschaftsschützer das Projekt bekämpfen!»
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