Im knappen Outfit, mit Wanderschuhen und wilder Mähne stapft Bewegungsschauspielerin Jennifer Skolovski (39) über die Weide auf der Alp Corbyre VS. Die Walliserin führt eine imaginäre Kuhherde an – bestehend aus bis zu 50 Schaulustigen. Sie lockt mit Schokoladenriegeln und ruft: «Chum! Säsäsä!» Von hinten treibt die tschechische Schauspielerin Marketa Pscolkova (30) die Menschen mit einem Stock an.
Auf der Wanderung wird immer wieder Halt eingelegt. Einmal jodelt die Künstlerin aus Leukerbad VS, dann weidet sie wie eine Kuh im Gras oder ruft durch den urchigen Betruf-Trichter den Alpsegen aus. Zusammen mit ihrem Lebenspartner, dem Komponisten Xavier Moillen (52), wird musiziert.
Die Kuh ist eine Metapher
Doch was soll das Theater? Die 39-Jährige muss ausholen: «Das Stück war meine Master-Abschlussarbeit.» Sie wolle damit zum Nachdenken anregen, sagt sie: «Es ist eine Frage, die ich gerne stelle, und zwar: ‹Was bin ich eigentlich wert in dieser Gesellschaft?›» Die Kuh sei dabei eine Metapher, erklärt die Bewegungskünstlerin: «Es geht um die Beziehung zwischen den Menschen. Wie wir miteinander umgehen und uns ausgrenzen.»
Um dies aufzuzeigen, behandeln die Schauspielerinnen die Zuschauer wie Ware. Direkten Blickkontakt gibt es keinen. Zum Schluss würden dann alle Zuschauer für die Selektion in den Stall gebracht. «Die Frauen stehen auf die eine, die Männer auf die andere Seite. Beim Verlassen des Stalls werden die Männer gewogen. Die schweren gehen zum Schlachter, die untergewichtigen werden weiter mit Schoggi gemästet.» Auch die Frauen werden nicht verschont, erzählt Skolovski: «Da schauen wir auf die Milchleistung, also auf die Grösse der Brüste. Wer zu wenig Milch gibt, wird aussortiert.»
Skurriles Hirtenspiel löst viele Reaktionen aus
Am Ende würden die «Kühe» dann in einen Anhänger verladen, für den Transport in die Metzgerei. Auch hier sieht Skolovski eine tiefere Bedeutung: «Ich muss mich nun entscheiden, laufe ich einfach mit oder büxe ich aus?» Bei den letzten Aufführungen hätten sich alle Zweibeiner brav damit abgefunden, jetzt zu sterben. Richtig muuuhtig, war keiner.
Seit ein Video der ungewöhnlichen Performance im Netz viral ging, klingelt das Telefon der 39-Jährigen ununterbrochen. Lachend gibt sie zu: «Dass das so ein Echo auslöst, habe ich wirklich nicht erwartet!» Gut möglich also, dass der letzte Akt des kuriosen Stücks noch nicht gespielt ist. Konkret ist aber noch keine weitere Vorstellung geplant.