Japanische Gründlichkeit
Wie Tetsuo Matsushita den Flughafen Genf lahmlegte

Gestern am Flughafen Genf: An jeder Ecke steht ein Kantonspolizist, die Passagiere wirken angespannt. Alle wissen: Die gesuchten Dschihadisten könnten hier verkehren. Alle wissen es. Ausser Tetsuo Matsushita (21).
Publiziert: 12.12.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:13 Uhr
Von Roland Gamp (Text) und Peter Gerber (Fotos)

Der Student will mit einem Freund in die Heimat fliegen, nach Japan. Er hat einen grossen Rollkoffer und einen Rucksack bei sich. Und er will seinen Flug umbuchen: «Ich lief zum Schalter und liess meinen roten Koffer bei meinem Kollegen.» Der ist mit dem Kopf aber offenbar schon über den Wolken und lässt das Gepäckstück unbeaufsichtigt.

Um 13.25 Uhr sperrt die Polizei Terminal 3. «Wegen eines verdächtigen Gegenstands», wie ein Sprecher sagt. Man will keine Panik verbreiten. «Aber natürlich geht die Sicherheit vor.» Das Sprengkommando rückt an, der Roboter zur Entschärfung wird vorbereitet. Ein Spezialist im Schutzanzug nähert sich dem Koffer.

Tetsuo Matsushita bemerkt den Wirbel – und dass sein Koffer der Grund für die Aufregung ist. «Ich konnte mich rechtzeitig bei einem Polizisten melden. Zum Glück mussten sie den Koffer nicht sprengen», sagt er.

Um 14.25 Uhr gibt es Entwarnung im Terminal 3. Keine zehn Minuten später zücken die Beamten erneut das Absperrband. Sie riegeln Terminal 1 ab und räumen den Shoppingbereich. Alle werden gebeten, den oberen Stock zu verlassen, die Geschäfte lassen die Läden herunter. Einige Passagiere verlassen aus Angst den Flughafen. Andere schauen zu, wie sich der Spezialist sachte dem Rucksack nähert.

Die Polizei warnt: «Der Gegenstand wird jetzt gesprengt, die Detonation kann sehr laut sein.» Wumm! Der Rucksack fliegt durch die Luft, bleibt rauchend liegen. Um 15.10 Uhr wird das Gate wieder geöffnet, nach wenigen Minuten ist auch die Anspannung verpufft.

Dann geleiten Beamte den Besitzer zum gesprengten Gepäckstück. Es ist – Tetsuo Matsushita: «Den Rucksack habe ich liegen gelassen, als ich merkte, dass mein Koffer gesprengt werden soll.» Am Boden liegen Kleider, Lernunterlagen, ein paar Hygieneartikel. Alles ist kaputt. Wütend packt Matsu­shita seinen zerfetzten Laptop und schmettert ihn zu Boden. Die Polizei muss den aufgebrachten Japaner beruhigen.

Weinend stopft er die Überreste in seinen Koffer, der ist ja noch intakt. «Hoffentlich zahlt die Versicherung», sagt er. Vor allem hat er Angst, für den Einsatz aufkommen zu müssen: «Das kostet sicher 20 000 Franken.» Aber er hat Glück. Die Polizei nimmt nur seine Personalien auf und lässt ihn laufen.

«Es tut mir leid für alle, die meinetwegen warten mussten», sagt Matsushita. Als Erstes muss er ein neues Flugticket kaufen. Das alte war im Rucksack.

Er stellt sich brav in die Schlange – und hat schon wieder seinen Koffer irgendwo stehen lassen. Eine Polizistin schimpft: «Sie müssen das Gepäck immer bei sich haben, immer! Verstanden?» Tetsuo Matsushita nickt und schleicht schuldbewusst ab.

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