Louis nimmt im Oktober 2013 im strömenden Regen am Bahnhof von Morges eine Abkürzung über die Gleise. Er will nach einem Ausflug mit seinen Freunden zum Haus seiner Eltern. Sechs Wochen später erwacht Louis aus dem Koma: Die Haut zu 45 Prozent verbrannt, die Nerven zerstört, seine Arme weg. Ärzte mussten sie ihm amputieren.
Die Füsse sind ihm geblieben, aber er spürt sie nicht, seine Zehen kann er nicht bewegen. 15000 Volt waren durch sein Rückenmark und die Beine in den Boden gerast. Zunächst sah es danach aus, dass er an einen Rollstuhl gebunden bleiben würde. Doch der Waadtländer ETH-Student liess sich nicht unterkriegen: Die Hilfe anderer Menschen schenkte ihm neuen Glauben an die Schönheit des Lebens, berichtet «L’Illustré».
«Ich liebe es, zu kochen»
36 Wochen war Louis in der Reha, im April konnte er zu seinen Eltern. «Ich war der Dienstälteste», schmunzelt er. Seinen Körper fordert er weiter beim täglichen Sport. Besonders im Schwimmbad geht es ihm gut: «Im Wasser fühle ich mich wie ein Torpedo», sagt der 21-Jährige. Aber auch auf Skiern ist er gerne unterwegs. Weil er seine Füsse nicht spürt, kann er jetzt stundenlang durch den Schnee gleiten. Und bald will er den Heimtrainer mit einem echten Rad eintauschen.
Zudem achtet Louis sorgfältig auf seine Ernährung. «Ich liebe es, zu kochen. Sich gut zu ernähren ist die Grundlage dafür, dass es einem gut geht.» Seine Spezialität ist Sushi. Noch braucht er in der Küche viele Hilfsmittel und noch mehr Tricks, damit er alles zubereiten kann. Doch bald, so hofft er, wird er spezielle Prothesen bekommen - die irgendwann vielleicht auch «fühlen» können.
«Ich weiss, welche Bilder funktionieren»
Aber Louis kennt auch die psychischen Abgründe, die Verzweiflung. Und er lernte sie mit Selbsthypnose zu bändigen. Jetzt will er sein Wissen weitergeben: Er lässt sich zum Hypnose-Therapeut ausbilden. Er ist der Jüngste im Kurs, trotzdem hat er einen grossen Vorsprung: «Ich kenne meine Schmerzen. Und ich weiss, welche Bilder bei welchen Empfindungen funktionieren.»
Für Langeweile oder Verzweiflung ist in Louis' Leben kein Platz. Beim Bungee-Jumping sucht er sogar den Extra-Kick. Und weil er noch lange nicht genug hat, wird er nach dem Sommer in Lausanne Jura studieren. Eigentlich wollte Louis Mathematiker werden. Aber er hat erfahren, wie es sich anfühlt, wenn man in tiefen Schwierigkeiten steckt und mit den Behörden kämpfen muss. (pom)