Raymond Wicky (†69), FDP-Grossrat und ehemaliger Kommandant des Genfer Brand- und Rettungsdienstes (SIS), war bei der Bevölkerung so beliebt, dass er bei den Parlamentswahlen vom 2. April wiedergewählt wurde. Und das, obwohl er vor anderthalb Monaten gestorben war.
Dass sein Name im Vorfeld der Wahlen nicht von der FDP-Liste gestrichen wurde, ist darauf zurückzuführen, dass die FDP dem Politiker ihren Respekt zollen wollte. Er wurde mit 15'824 Stimmen wiedergewählt. Damit ist er der zwanzigste der 22 Kandidaten der grossen blauen Partei, die am Sonntag den Sprung ins Parlament geschafft haben. Damit liegt er vor Céline Van Till und Joëlle Fiss.
Toter ist einer von 22 gewählten Politikern
Bedeutet das, dass ein Parlamentssitz fünf Jahre lang von einem Geist besetzt sein wird? Nicht wirklich. Wicky konnte zwar posthum auf der Liste seiner Partei bleiben, doch einen Sitz im Grossen Rat kann er nicht belegen.
Seine Abwesenheit kommt den «nächsten» Kandidaten der FDP zugute, die einfach nicht die nötige Anzahl an Stimmen für einen Sitz gesammelt haben. Erklärung: Wenn ein Parlamentskandidat nach seiner Wahl nicht mehr in der Lage ist, sein Mandat zu erfüllen, rückt der nächste Kandidat auf der Liste nach. In diesem Fall ist das Alexis Barbey.
«Er war ein sehr stolzer Mensch»
Ludovic Zbinden (34) ist Gemeinderat in der Genfer Gemeinde Aire-la-Ville und tritt für die FDP an. Er war auch freiwilliger Feuerwehrmann an der Seite des Verstorbenen. «Er war vielleicht die Person, die Wicky am nächsten stand», sagt ein hochrangiges Mitglied der FDP. Er soll den verstorbenen SIS-Kommandanten in seinen letzten Momenten begleitet haben. «Er war ein sehr stolzer Mensch, der im Stillen litt – er versuchte, bis zum Schluss sein Gesicht zu wahren.»
Der Inspektor der Gewerbepolizei beschreibt eine bedingungslose und tiefe Freundschaft, trotz der 35 Jahre, die zwischen den beiden Männern lagen. Zbinden gesteht: «Freundschaften kann man nicht wirklich erklären. Wir kannten uns seit über zehn Jahren. Ich war so etwas wie sein Adoptivsohn. Wir teilten jede Woche eine Mahlzeit miteinander. Wir telefonierten jeden Abend und erzählten uns gegenseitig, was wir den ganzen Tag gemacht hatten. Manchmal fragte er mich nach meiner Meinung zu bestimmten Themen.»
«Eine enorme Widerstandsfähigkeit»
Als er erfuhr, dass er mit dem Losverfahren Dritter auf der Liste der FDP im Vorfeld der Wahlen landete, war Wicky sofort neugierig, ob das etwas an seinen Wahlchancen ändern würde, erinnert sich sein Freund. «Leider ist er nicht mehr hier, um das Ergebnis zu sehen.» Wie würde der Kantonsparlamentarier auf seine eigene Wiederwahl reagieren, wenn er für ein paar Minuten wieder unter uns weilen könnte? «Das ist eine gute Frage», sagt Zbindn. «Er würde sich natürlich sehr freuen.»
Zbinden beschreibt einen eher konservativen Charakter, der an Bräuchen und Traditionen festhält. Zwischen Feuerwehr und Politik «war er von diskretem Temperament, aber mit einer enormen Widerstandsfähigkeit. Er gab sein Leben für die Allgemeinheit, zum Wohle von Genf und seiner Bevölkerung».