Falsches Medikament gegeben?
Vierter Betreuer von Genfer Heim für Autisten angeklagt

Nach dem mutmasslichen Missbrauchs-Skandal in einem Genfer Heim für autistische Jugendliche ist ein vierter Betreuer von der Polizei angeklagt worden. Er wird verdächtigt, einer Bewohnerin ein Medikament verabreicht zu haben, das ihr nicht verschrieben worden war.
Publiziert: 18.03.2022 um 12:49 Uhr
Das Sonderschulheim für autistische Jugendliche wurde im Sommer 2018 eröffnet. (Archivbild)
Foto: MARTIAL TREZZINI

Der Sprecher der Genfer Justizbehörde, Olivier Francey, bestätigte am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA einen entsprechenden Bericht der Zeitung «Le Temps». Laut dem Bericht handelte es sich dabei um einen Betreuer, der in der Nacht arbeitete.

Die junge Frau musste aufgrund einer Überdosis Medikamente ins Spital eingeliefert werden. Wegen des Vorfalls wurde Strafklage eingereicht.

Bereits im Februar waren drei erste Mitarbeiter des Heims in diesem Zusammenhang von der Polizei einvernommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, einer Bewohnerin Medikamente verabreicht zu haben, die ihr nicht verschrieben worden waren, und damit ihre Gesundheit oder sogar ihr Leben in Gefahr gebracht zu haben. Die Angeklagten bestreiten diese Vorwürfe. Laut «Le Temps» werden alle Parteien am kommenden Montag von der Staatsanwaltschaft befragt.

Der Vorfall mit dem Medikament ist einer von mehreren Missständen im Heim in Mancy, die seit dem vergangenen Herbst bekannt geworden sind. Die Liste der angeblichen Verfehlungen ist lang. So sollen Kinder und Jugendliche eingesperrt, auf den Boden geworfen, in ihren Exkrementen zurückgelassen oder an ihren Kleidern von einem Raum in den anderen geschleppt worden sein. Auch sei Heimbewohnern wiederholt das Essen vorenthalten worden.

Der Skandal hat inzwischen einen politische Dimension erreicht. Der Staatsrat kündigte vor zwei Tagen ein erstes Massnahmenpaket zur Verbesserung der Situation vor. Die Aufsicht über die staatlichen Heime wird neu im Amt für Kinder und Jugend angesiedelt. Zudem wird eine kantonale Plattform für Sonderpädagogik lanciert.

Die zuständige Staatsrätin Anne Emery-Torracinta geriet wegen des mutmasslichen Missbrauchs von mehreren Seiten unter Druck. Die SP-Politikerin sei in dem Fall untätig geblieben oder habe nicht schnell genug reagiert, wurde kritisiert.

Ein externer Untersuchungsbericht entlastete die Staatsrätin jedoch. Dieser kam zum Schluss, dass die überstürzte Eröffnung des Heims im Sommer 2018 der Hauptgrund für die Missstände war.

(SDA)

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