Es sind Szenen wie aus einem Flüchtlingscamp. Rund 2500 Menschen standen am Samstag in Genf für kostenlose Lebensmittel stundenlang in einer Schlange. Für die Bedürftigen gab es etwa Reis, Teigwaren und Mehl im Wert von 20 Franken.
«Wir sind uns solche Bilder aus Kriegsgebieten gewohnt. Aber ich hätte nie gedacht, so etwas eines Tages in Genf zu erleben», sagte eine Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen zum Westschweizer Fernsehen RTS, das die Aufnahmen gemacht hatte.
«Hilfswerke wird es brauchen»
Dass Armut in der Schweiz nichts Neues ist, weiss Mina Dello Buono vom Verein Tischlein deck dich. Die Organisation rettet einwandfreie Lebensmittel vor der Vernichtung und verteilt sie an armutsbetroffene Menschen.
«Die Folgen der Corona-Pandemie werden wir alle spüren. Bedürftige Menschen sind aber besonders betroffen», sagt Dello Buono zu BLICK. Ob die Situation schlimmer als vor Corona ist, kann sie nicht belegen. Aber langfristig sei mit einer wirtschaftlichen Verschlechterung zu rechnen. «Die Hilfswerke wird es brauchen», sagt sie.
Vor allem haltbare Lebensmittel gefragt
Auch die Schweizer Tafel verteilt jährlich rund 4000 Tonnen überschüssige Lebensmittel an soziale Institutionen wie Obdachlosenheime, Gassenküchen oder Notunterkünfte. Momentan seien vor allem lang haltbare Lebensmittel gefragt. Frische Lebensmittel brauche es nach wie vor, aber weniger als sonst, sagt Sprecherin Ramona Blatter zu BLICK.
Denn viele Institutionen, die im sons warme Speisen abgeben würden, bieten momentan wegen der Bundesvorgaben, wie etwa der Abstandsregelung, keine Mahlzeiten an. «Zudem fehlen die freiwilligen Helferinnen und Helfer, die oft im Rentenalter sind und demnach zur Risikogruppe gehören», sagt sie.
Menge der abgegebenen Lebensmittel verzehnfacht
Wie der «Tagesanzeiger» schreibt, gibt es Szenen wie aus Genf längst nicht nur in der Westschweiz. Von einem Anstieg der Nachfrage berichtet auch der Verein für Kirchliche Gassenarbeit in Bern. Dort habe sich die Menge der abgegebenen Lebensmittel mindestens verzehnfacht. Auf die Essensrationen seien neu vor allem Personen angewiesen, die wegen der Krise keine Einnahmen mehr haben – dazu gehören etwa Sexarbeiterinnen und Strassenmusiker.
In Zürich habe die Heilsarmee zusammen mit dem Verein Netz 4 und der Beratungsstelle Chrischtehüsli ein kostenloses Take-Away-Angebot organisiert. Anfangs der Krise seien rund 80 Portionen pro Tag gekocht worden – inzwischen wären es schon 180. Und: Beim Hilfswerk Caritas geht man davon aus, dass wegen der Wirtschaftskrise immer mehr Leute in die Armut abrutschen werden. (bra)
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