Er ist in der Schweiz, aber nur kurz: Recep Tayyip Erdogan (65) besucht am Montag das Genfer Nobelhotel Four Seasons. Den überraschenden Auftritt des türkischen Präsidenten in der internationalen Diplomatenstadt hatte BLICK zuvor publik gemacht.
Am Dienstag tritt Erdogan auf dem Globalen Flüchtlingsforum auf. Heute hatte er einen Propaganda-Auftritt auf der Agenda. 100 bis 150 Anhängerinnen und Anhänger standen bereits am Montagvormittag vor dem Hotel und erwarteten sehnsüchtig die Ankunft des türkischen Machthabers um 11 Uhr.
Erdogan trotzt Schweizer Polizei
Die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot aus. Kurz bevor Erdogan ausgestiegen war, positionierte die Polizei einen Kastenwagen als Sichtschutz vor die Menge. Erdogan interessierte das nicht, als er mit rund 90 Minuten Verspätung ankam: Er lief direkt zu seinen Anhängern und schüttelte vielen die Hände.
Viele Erdogan-Fans äusserten sich kritisch über die Schweizer Polizei. «Wenn der Präsident nicht extra zu uns gekommen wäre, hätten wir ihn gar nicht gesehen!», empört sich eine französischsprechende Frau mit Kopftuch. Ihre umstehenden Mitstreiterinnen nicken. «Es geht überhaupt nicht, dass uns die Polizei die Sicht versperrt.»
«Es ist uns eine Ehre»
Der Ärger über die Schweizer Polizei trübt die Freude aber nicht. Denn die war riesig bei den Türkinnen und Türken. Sie kamen sogar aus dem nahen Ausland. «Es war umwerfend, ihn zu treffen», sagt Serap (21), Studentin der Sozialwissenschaften aus Lyon (F). «Wahnsinn!», stammelt Havva Aktas (61) aus dem Aargau mit Tränen in den Augen.
Die 25-jährige Telefonistin Fadime nahm sich extra frei, um zusammen mit ihrem Bruder Yunus (16) von Basel her nach Genf zu reisen. «Es ist uns wichtig, dass man ihn mal live sieht», sagt Fadime. «Es ist uns eine Ehre, ihn mal sehen zu können.»
Kritische Stimmen gabs nicht
«Es ist so toll, meinen Präsidenten zu sehen! Er hat die Türkei zum Guten verändert», sagt Sena (43) aus Zürich. Sie hat sich extra freigenommen, ist um kurz vor sieben mit ihrem Mann nach Genf gefahren. «Ich möchte Präsident Erdogan einfach nur sagen: Schön, dass es dich gibt.»
Kritik an Erdogan, etwa wegen seines Umgangs mit der kurdischen Minderheit, duldet sie nicht. «Ich bin auch Kurdin und ich stehe hinter ihm. Wenn in der Schweiz ein Kanton unabhängig werden will, geht das ja auch nicht.» Für Kritik hatte der kritikempfindliche Präsident sowieso wenig Zeit. Nach nur zehn Minuten zog er wieder ab und verschwand mit seinem Tross (Innen- und Aussenminister waren dabei) ins Luxus-Hotel.
Erdogan ist diese Woche wegen des Globalen Flüchtlingsforum in der Schweiz. Dieser kurzfristige Trip könnte die Schweizer Sicherheitskräfte vor Probleme stellen. Linke Aktivisten und Kurden bereiten Proteste vor. Es drohen Zusammenstösse zwischen den Lagern.
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