Der Fall erschütterte die Schweiz. Vor drei Jahren, am 12. September 2013, starb Adeline Morel († 34), Sozialtherapeutin und Mutter eines damals acht Monate alten Mädchens. Sie wurde brutal ermordet vom verurteilten Vergewaltiger Fabrice Anthamatten (32). Der Häftling hatte seine Betreuerin an einen Baum gefesselt und ihr langsam die Kehle durchgeschnitten. So wie in einer Szene des Hollywood-Films «Braveheart», die er sich immer wieder angesehen hatte (BLICK berichtete).
Edelweisshemd und Glatze
Gestern begann der Prozess im Genfer Palais de Justice. In einem grauen Edelweisshemd und olivgrünen Hosen betritt Anthamatten am Morgen den voll besetzten Saal. Die Dächlikappe nimmt er ab, sein Schädel ist kahlrasiert.
Die Befragung zieht sich über Stunden hin. Über sein Motiv sagt er zur Richterin: «Als die Klinge ihre Kehle berührte, fühlte ich mich allmächtig. Es war nicht das Töten, das ich genoss. Es war die Möglichkeit, es zu tun.
Das Recht über Tod und Leben zu haben.» Er muss während der gesamten Befragung stehen, stützt sich auf eine hölzerne Abschrankung, gestikuliert immer wieder mit seinen grossen Händen. Er geniesst es sichtlich, im Mittelpunkt zu stehen. Reue zeigt er keine: «Mir fehlt die Empathie.»
Er tötete sie auf einem begleiteten Freigang
Trotz einer Verurteilung zu 20 Jahren sass er nicht im Knast, sondern wurde im Genfer Resozialisierungszentrum La Pâquerette auf die Freilassung vorbereitet. Er tötete Adeline auf einem begleiteten Freigang zu einer Reittherapie.
Auf dem Weg konnte er das Tatmesser kaufen. «Ich habe Adeline manipuliert», sagt Anthamatten. «Sie weigerte sich zuerst, das Messer zu holen. Da fing ich an zu täubelen, wie ein Kind, das sein Spielzeug nicht bekommt. Sie hat dann nachgegeben.» Er habe es aber nicht gekauft, um Adeline zu töten. «Ich habe eine Leidenschaft für Messer. Ich sammle sie, aber nur zum Anschauen. Ich habe eine Leidenschaft für Victorinox.»
Anthamatten plante seine Tat laut Anklage bis ins kleinste Detail. Das bestreitet er: «Ich hatte keinen Plan. Ich dachte nur an meine Flucht.» Als die Richterin ihn fragt, wieso er sich im Internet für Halsschlagadern interessierte, schweigt er zunächst. Dann: «Um zu wissen, wie man sterben kann, wenn man die durchschneidet.»
Sein nächstes Ziel war seine Ex-Freundin
Nach seiner Tat flüchtete er über einen unbewachten Grenzübergang bei Weil am Rhein (D). Sein Ziel: Polen. Dort wollte er seine Ex-Freundin auf grausamste Art und Weise umbringen: ihr zuerst die Augen ausstechen und sie dann lebendig begraben. Die Frau ist nach seiner Festnahme untergetaucht und nicht auffindbar.
Neben der Tat spricht Anthamatten gestern auch über die Schweizer Justiz – und macht sich über sie lustig. Der schweizerisch-französische Doppelbürger bekam 2001 für eine Vergewaltigung fünf Jahre bedingt. «In Frankreich ist Vergewaltigung ein Verbrechen. Meine Strafe erschien mir sehr mild. Das war fast ein Freipass zum Weitermachen.»
Ausserdem jammert er über seine Kindheit: «Meine Mutter ist grössenwahnsinnig. Mein Vater war Alkoholiker.»
Um 18.30 Uhr kommt es zum Eklat. Adelines Eltern protestieren, weil man weder die Richterin noch Anthamatten richtig versteht. Darauf werden Mikrofone installiert. Die erschreckenden Worte hallen nun in voller Lautstärke durch den Saal: «Ich habe noch immer Vergewaltigungsfantasien», gibt Anthamatten zu. Er sei nicht bereit zu einer chemische Kastration. «Ich würde aber sofort ein Dokument für eine physische Kastration unterschreiben.»
Nach rund elf Stunden beendet die Richterin den ersten Prozesstag. Heute geht es mit der Befragung von zwei Schweizer Gutachtern weiter.