30 Tonnen Giftmüll wurden in der Deponie bei Freiburg verlocht – jetzt sollen die Bürger blechen
«Wir wollen dafür nicht bezahlen!»

In der Deponie La Pila bei Freiburg wurden bis ins Jahr 1973 gefährliche Chemikalien entsorgt – jetzt soll der Steuerzahler dafür aufkommen. Bürger wehren sich dagegen.
Publiziert: 16.11.2019 um 18:55 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2019 um 21:42 Uhr
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Ein Schild warnt vor dem Betreten des Deponie-Geländes.
Foto: Philippe Rossier
Cyrill Pinto

Ein schlichter Bauzaun und ein Verbotsschild: Mehr deutet nicht darauf hin, dass der Untergrund hier mit gefährlichsten Stoffen verseucht ist. Das Areal von der Grösse eines Fussballfeldes liegt in einer Schleife der Saane, knapp zehn Kilometer südöstlich von Freiburg. Rund 30 Tonnen polychlorierte Biphenyle (PCB, siehe Box) wurden hier bis 1973 vergraben und vergessen.

2007 erinnerte man sich wieder an die Horror-Chemikalie, als alarmierend hohe PCB-Werte in Flussbett und Fischen der Saane festgestellt wurden. Die Höchstwerte konzentrierten sich um die Deponie La Pila. Noch 40 Kilometer flussabwärts, bei der Einmündung in die Aare, waren die PCB-Konzentrationen im Wasser und im Flussgrund ungewöhnlich hoch.

Lange verdrängte Zeitbombe

Der Freiburger Michael Steiner (46) engagiert sich seit diesem Frühjahr in einem losen Zusammenschluss von Bürgern, die sich mit der anstehenden Sanierung der Deponie beschäftigen. Der Anwalt betreibt einen Blog, gründete eine Facebook-Gruppe und schreibt Leserbrief um Leserbrief. Auslöser für sein Engagement war die Klimademo Anfang April in der Kantonshauptstadt.

Steiner hatte seine Tochter dorthin begleitet. Beim Gespräch mit Teilnehmern begriff er die Grösse der Gefahr, die von der Deponie ausgeht: «La Pila war bis anhin nur Fachleuten ein Begriff – dabei geht es bei der Sanierung um unsere Gesundheit, den Naturschutz – und um sehr viel Geld», sagt er bei einer Begehung mit SonntagsBlick.

PCB: langlebig und hochgiftig

Polychlorierte Biphenyle (PCB), in der Industrie früher weit verbreitet, wurden häufig als Isolieröle in Transformatoren oder in Fugendichtungen eingesetzt. Wegen ihrer hormonellen und krebserregenden Wirkung sind sie seit 1986 verboten. PCB sind extrem langlebig, reichern sich über die Nahrungskette an, schädigen innere Organe und machen unfruchtbar. Bei Ungeborenen verursachen sie Fehlbildungen.

Polychlorierte Biphenyle (PCB), in der Industrie früher weit verbreitet, wurden häufig als Isolieröle in Transformatoren oder in Fugendichtungen eingesetzt. Wegen ihrer hormonellen und krebserregenden Wirkung sind sie seit 1986 verboten. PCB sind extrem langlebig, reichern sich über die Nahrungskette an, schädigen innere Organe und machen unfruchtbar. Bei Ungeborenen verursachen sie Fehlbildungen.


Schweizweit gibt es viele derart schwer belastete Standorte. Weil sich das Gift in den Fischen anreichert, mussten die Behörden Fangverbote aussprechen. Die Ursache der PCB-Verseuchung auszumachen, ist nicht immer einfach. So suchten die Baselbieter Behörden monatelang nach einer Quelle in der Birs – bis sie nach knapp zwei Jahren den Ursprung in einem Industriebetrieb im Kanton Jura entdeckten.

Weitere PCB-verseuchte Gewässer sind die Glatt bei Zürich, der Stockalperkanal im Wallis oder der Lago Maggiore im Tessin. Das Bundesamt für Umwelt meldet, die Sanierung dieser Standorte sei auf Kurs. Doch das Beispiel La Pila zeigt, vor welchen Herausforderungen die Behörden stehen. Bis zu 250 Millionen Franken wären für eine Totalsanierung fällig. Bund, Kanton und Stadt Freiburg sollen sich die Sanierungskosten teilen. Das kantonale Umweltamt arbeitete verschiedene kostengünstigere Varianten aus, bei denen nur ein Teil des giftigen PCB aus dem Boden geholt würde. Zentral bei allen alternativen Vorschlägen: Die finanzielle Unterstützung durch den Bund, der sich mit rund 40 Prozent beteiligen will.

Können Verursacher noch haftbar gemacht werden?

In den Augen von Michael Steiner jedoch müsste primär der Verursacher für die Kosten der Sanierung aufkommen. Dies sieht auch die vom Bund erlassene Altlastenverordnung vor. Hauptverursacher der Verseuchung der Saane ist der Industriebetrieb Condensateurs Fribourg aus Freiburg, der bis 1973 tonnenweise PCB-haltige Kondensatoren gratis in der städtischen Deponie entsorgte.

Seit sich der engagierte Anwalt samt seinen Mitstreitern in das Thema eingearbeitet hat und sich regelmässig öffentlich zu diesem Schreckensthema äussern, ist Bewegung ins Dossier gekommen. Unter anderem prüft die Kantonsregierung nun, ob es einen Rechtsnachfolger des Unternehmens gibt, das den PCB-haltigen Abfall entsorgte – und ob er haftbar gemacht werden kann.

Nachfolgefirma der Condensateurs Fribourg ist laut Steiner eine heute in Zürich ansässige Firma. Der Anwalt machte seine Recherchen in einem Leserbrief öffentlich – mit der Bitte, Transparenz in diesem Dossier zu schaffen. Auf Anfrage von SonntagsBlick macht der Kanton jetzt erstmals öffentlich, dass er das fragliche Unternehmen finanziell an der Sanierung beteiligen will. Im Juli habe man bereits eine finanzielle Sicherheitsleistung gefordert – in welcher Höhe, liess der Kanton offen.

«Als Steuerzahler fühlt man sich verschaukelt»

Die Zurückhaltung der Behörden ist begründet: Im Hintergrund arbeiten mehrere Anwälte darauf hin, eine Verfügung abzuwehren, die auf Kostenbeteiligung hinausläuft. «Seit 2007 ist dem Kanton klar, dass La Pila saniert werden muss», sagt Steiner. Man habe also genügend Zeit gehabt, Verantwortlichkeiten zu klären und Sicherheiten von dem Unternehmen einzufordern, findet Steiner. «Als Steuerzahler fühlt man sich da verschaukelt».

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