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Werner W. (69) zog mit illegalem Schneeballsystem unzähligen Opfern Geld aus der Tasche
Er ist der Kopf hinter 19 Schenkkreisen!

Geld verdienen, ohne zu arbeiten – mit diesem Versprechen lockte Werner W.* (69) blauäugige Opfer in die Falle. Laut Staatsanwaltschaft ist der Tessiner für 19 Schenkkreise verantwortlich.
Publiziert: 03.11.2019 um 23:11 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2019 um 21:53 Uhr
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Werner W.* (69, r.) spielte den lieben Familienvater.
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Anian Heierli

Unschuldig lächelt Werner W.* (69) in die Kamera. Der Tessiner Familienvater sieht aus wie ein freundlicher Rentner: Glatze, schickes Hemd, einnehmendes Wesen. Doch der Schein trügt. Zwei Jahre lang wurde gegen ihn ermittelt. Jetzt ist sich die Staatsanwaltschaft sicher: Er ist der Kopf hinter mindestens 19 Schenkkreisen.

Die Anklage steht: wegen Betrugs, Geldwäscherei, Falschbeurkundung und unlauteren Wettbewerbs. Die Beweise wiegen schwer. Die Polizei durchsuchte das Büro von W. in Altdorf UR und sein Wohnhaus im Tessin. Dabei wurden Akten sichergestellt, die zeigen, dass er ein illegales Schneeballsystem unterhielt.

«Wegen diesem Vogel verloren viele ihr Erspartes»

Die Opfer des mutmasslichen Betrügers sind erleichtert. Zu ihnen gehört auch Hans Imholz (59), der in Attinghausen UR die Pouletburg besitzt und schweizweit als Güggeli-König bekannt ist. Er sagt zu BLICK: «Ich gab ihm Geld, das ich nie wiedersah!» Den Verlust könne er verkraften. Wütend ist er aber trotzdem: «Andere verloren wegen diesem Vogel ihr letztes Erspartes.»

Vor zwei Jahren brachte der Güggeli-König die Ermittler auf die richtige Spur. Im August 2017 prügelte er sich mit dem Angeklagten W. wegen ausstehender Gelder. Es kam zum Polizeieinsatz, und die Schenkkreis-Masche flog auf (BLICK berichtete).

Geld verdienen, ohne zu arbeiten – mit diesem Versprechen lockte der Angeklagte blauäugige Opfer in die Falle. Man müsse nur 15'000 Franken einzahlen, weitere Mitglieder anwerben und bekomme 120'000 Franken ausbezahlt. Das Ganze nennt er «Personen-Finanzierungsprojekt».

Schneeballsystem par excellence

Doch: Immer mehr Leute müssen mitmachen, damit das System funktioniert. Gehen diese aus, scheitert alles. Denn nur durch Neumitglieder rückt man in der Pyramide weiter an die Spitze. Die Staatsanwaltschaft schreibt dazu in der Anklage: «Es handelt sich um ein reines Geldumlageverfahren – ohne Verkauf von Waren oder Dienstleistungen.»

Was verboten ist und was erlaubt

Schenkkreise sind illegal. Das Verbot ist im Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb festgehalten. Strafbar macht sich, wer Prämien in Aussicht stellt, die durch das Anwerben weiterer Personen erfolgen und nicht durch den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen (Schneeball-, Lawinen- oder Pyramidensysteme). Dagegen ist das blosse «Schenken» von Geld laut Bundesgericht noch keine strafbare Handlung – auch nicht, wenn die Übergabe innerhalb eines Schenkkreises geschieht. Die aktive Suche nach neuen Mitgliedern ist aber verboten. Das gilt auch für Leute, die selbst nicht am Schneeballsystem teilnehmen. Deshalb macht sich der Veranstalter selbst strafbar. Wer vorsätzlich einen Schenkkreis betreibt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Anian Heierli

Schenkkreise sind illegal. Das Verbot ist im Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb festgehalten. Strafbar macht sich, wer Prämien in Aussicht stellt, die durch das Anwerben weiterer Personen erfolgen und nicht durch den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen (Schneeball-, Lawinen- oder Pyramidensysteme). Dagegen ist das blosse «Schenken» von Geld laut Bundesgericht noch keine strafbare Handlung – auch nicht, wenn die Übergabe innerhalb eines Schenkkreises geschieht. Die aktive Suche nach neuen Mitgliedern ist aber verboten. Das gilt auch für Leute, die selbst nicht am Schneeballsystem teilnehmen. Deshalb macht sich der Veranstalter selbst strafbar. Wer vorsätzlich einen Schenkkreis betreibt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Anian Heierli

Für die Ermittler steht fest: «W. organisierte in den Kantonen Uri, Tessin und anderswo Schenkkreise. Er war Ansprechperson, warb neue Mitglieder an oder liess sich diese vermitteln.» Dabei habe er jeweils Geld für sich abgezwackt. Zwischen 2008 und 2017 erwirtschaftete der selbständige Finanzberater Einkünfte von über einer Million Franken. Die Beträge verbuchte er in seiner Firma als «Vermittlungspositionen» und wusch so das Geld.

Heute ist unklar, wie viele Personen insgesamt beteiligt waren. Die Dunkelziffer ist wohl gross. Doch obwohl Schenkkreise verboten sind, treten 12 Beteiligte als Privatkläger auf. Sie fordern von W. 315'000 Franken zurück. Einige seiner Opfer kannte W. persönlich.

Lügen mit falschen Dokumenten untermauert

Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass nicht alle Teilnehmer das Schneeballsystem durchschauten. Denn W. spielte den seriösen Berater, freundete sich mit Opfern an. Für einige war er sogar der «liebe Werni». In persönlichen Gesprächen beteuerte er vor Neumitgliedern: «Es ist kein Schneeballsystem.» Und er beschwichtigte: «Die Methode ist in einer rechtlichen Grauzone.» Seine Lügengeschichte untermauerte er mit angeblichen Dokumenten der Finanzmarktaufsicht (Finma) und einem Bundesgerichtsentscheid, der das Projekt als legal bezeichnen sollte.

Auch Güggeli-König Imholz ist unter den Privatklägern. Als solcher nahm er an der Einvernahme des Angeklagten teil: «W. zeigte sich uneinsichtig, von Reue fehlte jede Spur. Ich hoffe, dass er seine gerechte Strafe erhält.» Es gilt die Unschuldsvermutung. Der Termin für die Verhandlung ist noch nicht festgesetzt.

Der Angeklagte reagierte auf BLICK-Anfragen nicht.

* Name der Redaktion bekannt

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In Grenchen SO endete ein Schenkkreis im Blutbad

Im Sommer 2009 stand die Schweiz unter Schock. In Grenchen SO kam es im Juni zu brutalen Schenkkreis-Morden. Hammerwerfer Patric S.* (41), Güggeli-Grillierer Guido S.* (33) und Hundetrainerin Ruth S.* (57) richteten ein Massaker an. Dabei wurde Familienvater Pierre-André D.* (†60) mit einem Kopfschuss niedergestreckt. Seine Ehefrau Margrit (†55) und die geistig behinderte Tochter Dania (†35) wurden mit Plastiksäcken erstickt.

Das Täter-Trio erhoffte sich bei der in Schenkkreise verwickelten Familie eine fette Beute. Denn alle drei waren selbst in Schenkkreisen aktiv. Sie fanden bei der Familie aber nur 5000 Franken, 600 Euro, Modeschmuck und vier Uhren.

Hundetrainerin Ruth S. wurde, obwohl sie bei der Tat nicht anwesend war, wie die beiden anderen Täter zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Sie sei an der Planung massgeblich beteiligt gewesen. Die drei zogen ihr Urteil weiter – ohne Erfolg. Das Bundesgericht bestätigte die lebenslangen Haftstrafen.

* Name der Redaktion bekannt

Im Sommer 2009 stand die Schweiz unter Schock. In Grenchen SO kam es im Juni zu brutalen Schenkkreis-Morden. Hammerwerfer Patric S.* (41), Güggeli-Grillierer Guido S.* (33) und Hundetrainerin Ruth S.* (57) richteten ein Massaker an. Dabei wurde Familienvater Pierre-André D.* (†60) mit einem Kopfschuss niedergestreckt. Seine Ehefrau Margrit (†55) und die geistig behinderte Tochter Dania (†35) wurden mit Plastiksäcken erstickt.

Das Täter-Trio erhoffte sich bei der in Schenkkreise verwickelten Familie eine fette Beute. Denn alle drei waren selbst in Schenkkreisen aktiv. Sie fanden bei der Familie aber nur 5000 Franken, 600 Euro, Modeschmuck und vier Uhren.

Hundetrainerin Ruth S. wurde, obwohl sie bei der Tat nicht anwesend war, wie die beiden anderen Täter zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Sie sei an der Planung massgeblich beteiligt gewesen. Die drei zogen ihr Urteil weiter – ohne Erfolg. Das Bundesgericht bestätigte die lebenslangen Haftstrafen.

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