Wenn die Ufzgi per Mail kommen
So regeln die Schulen den Fernunterricht

Seit einer Woche müssen die Schüler zu Hause bleiben. SonntagsBlick fragte: Wie funktioniert da der Unterricht?
Publiziert: 21.03.2020 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 23.03.2020 um 08:58 Uhr
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Seit einer Woche müssen Schüler jetzt zu Hause lernen.
Foto: Valeriano Di Domenico
Lukas Lippert und Dana Liechti

Normalerweise wuseln im Zürcher Kindergartenhaus Wiedikon scharenweise Kinder durch die Gänge, überall Gerenne und Geschrei.

Heute aber ist alles ruhig. Rita Galliker (38) sitzt allein am Tisch und hat ihr Handy auf ein Stativ gespannt. Sie lacht und winkt einem Kindergartenkind über Facetime zu. «Für kleinere Kinder ist der Fernunterricht besonders schwierig», sagt sie. Der Bezug zu ihr als Lehrperson, auch der physische Kontakt seien enorm wichtig.

«Als die Schulen schliessen mussten, hatten wir nicht einmal Zeit, uns richtig zu verabschieden», sagt Galliker. Nun sehe sie die Kindergärtler mindestens einmal pro ­Woche am Bildschirm. «Das ist besser, als einfach nur zu telefonieren. Wenn ich die Kinder sehe, merke ich, ob es ihnen wirklich gut geht.»

Galliker nutzt auch kreative Lösungen: Die Lieder aus dem Kindergarten sind per App nun zu Hause zu hören und lassen sich direkt mitsingen, auch Bilderbücher und Bastelanleitungen werden so übermittelt. «Wir müssen das Videotelefonieren noch üben, aber es läuft gut», sagt die Lehrerin. Sie macht sich nur Sorgen, ob es so bleibt.

Gerade für Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen könnte der Fernunterricht längerfristig zum Problem werden. Die Notbetreuung im Kindergarten bleibe ­jedoch praktisch ungenutzt.

Ähnlich das Bild an anderen Schulen: Eine Umfrage von SonntagsBlick ergab: Weniger als fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler nutzen das Betreuungsangebot. Für die meisten Kinder geht der Unterricht also zu Hause weiter – wenn auch improvisiert.

Keine Ufzgi im Aargau

Eine Ausnahme macht der Kanton Aargau: Dort wurde die Schulpflicht bis zum 4. April ganz aufgehoben – Ufzgimachen ist freiwillig. Die anderen Kantone überlassen die Gestaltung des Fernunterrichts grösstenteils den Schulen.

Unsere Umfrage zeigt: Wie bei Rita Galliker steht bei allen Lehrpersonen im Vordergrund, dass der Kontakt in dieser schwierigen Zeit nicht abbricht. Viele haben tägliche Zeitfenster vereinbart, in denen sie erreichbar sind. Auch bei den Aufgabenstellungen zeigen sich Ähnlichkeiten zwischen den Schulen.

Für Kindergarten und Unterstufe stellen viele Lehrpersonen Aufgabenpäckli zusammen, die via Mail zu den Kindern kommen oder von den Eltern in der Schule abgeholt werden müssen. Dazu gehören Arbeitshefte mit Spiel-, Bewegungs-, Gestaltungs- und Denkaufgaben.

Abgedeckt werden auf diese Weise neben den Kernfächern oft auch Sport, Hauswirtschaft und bildnerisches Gestalten. Manche Lehrer bieten ihren Schülern sogar fixfertige Lektionen in einer Powerpoint-Präsentation an.

Damit die Kinder ihre Aufgaben auch wirklich machen, sind Ab­gabetermine oder Tages- und Wochenpläne festgelegt. Einzelne Schülerinnen und Schüler legen die Aufgaben auch in ihren Briefkasten, damit die Lehrperson sie abholen und korrigieren kann.

Tagesstruktur zur Entlastung

Einige Schulen schlagen den ­Eltern zur Entlastung zudem eine regelmässige Tagesstruktur mit ­fixen Lernblöcken am Morgen und Nachmittag inklusive Pausen für die Kinder vor.

Das Zauberwort der Stunde heisst E-Learning: Vor allem von der Mittelstufe an greifen viele Schulen jetzt auf Lernplattformen zurück. Dort stellen sie den Schülern Aufgaben zur Verfügung und treten via Video- oder Chatfunktion in direkten Kontakt.

Manche Schulen halten übers Internet sogar Liveunterricht ab. Die grosse Nachfrage nach digitalen Lerninhalten fordert die privaten Anbieter der E-Learning-Plattformen.

Obwohl sie in Zeiten von Corona gute Geschäfte machen könnten, zeigen sich viele Anbieter solcher Lösungen in der Not soli­darisch. Ein Beispiel: der E-Learning-Pionier Profax aus Mön­chaltorf ZH. «Nach dem Entscheid, die Schulen vorübergehend zu schliessen, war uns klar: Mindestens bis Ostern bieten wir das ganze Angebot kostenlos an. Wir sind alles Idealisten», sagt Mike Kronenberg (44), Leiter des Verlags.

Verlag wird überrannt

Was gerade geschieht, sei sehr eindrücklich. «Es läuft mir kalt den Rücken herunter, wenn ich sehe, wie viele zurzeit unser An­gebot nutzen», so Kronenberg.

Lange hätten die Anbieter um Kunden gekämpft, nun werden sie von der Nachfrage überrannt. Für viele ist die rasante Zunahme an Nutzern aber auch ein Problem. Gerade die kleineren An­bieter stossen mit ihren Server-­Kapazitäten bereits nach wenigen Tagen Fernunterricht an ihre Grenzen. Schüler und Lehrpersonen klagen über Fehlermeldungen und langsame Webseiten.

Noch funktioniert nicht alles perfekt. Doch es zeigt sich: Die ­Corona-Krise ist keine Krise des Lernens.

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