Weil Hinterbliebene Geld sparen wollen
Bestatter kämpfen ums Überleben – trotz mehr Toten

2017 gab es in der Schweiz rund 2000 Todesfälle mehr als im Vorjahr. Trotzdem ist das Sterben kein todsicheres Geschäft mehr: Angehörige werden geiziger – und stellen immer höhere Ansprüche.
Publiziert: 29.06.2018 um 21:07 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:33 Uhr
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In der Schweiz gibt es immer mehr Todesfälle, alleine 2017 waren es 2000 mehr als im Vorjahresschnitt.
Foto: shutterstock
Andrea Willimann

Bestatter können sich nicht über steigende Umsätze freuen – trotz des Bevölkerungswachstums und immer mehr Todesfällen. Richtig krass ist es in Deutschland. Angehörige bestatten ihre Verstorbenen teils richtig schäbig: Die Leute kaufen billige Särge, normale Lieferdienste transportieren Leichen, und die Beisetzung findet wegen billigerer Liegegebühren im Ausland statt.

Ähnliches spielt sich in der Schweiz ab. Auch in Regionen, in denen die Städte und Gemeinden die Beisetzungen bezahlen, wollen die Angehörigen Geld sparen. Die Bestatter müssen genau kalkulieren, obschon die Sterbefälle von 57’091 Toten im Jahr 1970 auf 66’971 im vergangenen Jahr kontinuierlich gestiegen sind. Wegen einer aggressiven Wintergrippe starben 2017 mit einem Plus von 2000 Menschen sogar markant mehr Leute als im Schnitt der Vorjahre, teilte das Bundesamt für Statistik am Mittwoch mit.

Nicht nur Sarglieferanten müssen kreativ sein

Erster Grund für das harzigere Bestattergeschäft sind neue Sitten. So gibt es weniger öffentliche Aufbahrungen als früher. Mehr Konfessionslose, mehr Kremationen und weniger Erdbestattungen. Und Gemeinschaftsgräber statt Reihengräbern. So fasst Philipp Messer (45), Präsident des Schweizerischen Verbands Bestattungsdienste und Bestatter in Biel BE, die Trends zusammen.

Dadurch wird das Geschäft der Sarglieferanten anspruchsvoller. Die rückläufige Nachfrage fangen viele über moderne, industrielle Produktionsprozesse auf und nicht über höhere Preise, sagt Andreas Egli, Besitzer der Egli Sargproduktion AG in Beromünster LU und der Egli Bestattungen AG mit Sitz in Bern und Luzern. Sein Unternehmen hat deshalb keine Umsatzeinbussen. «Sicher haben aber Mitbewerber Probleme, weil diese in den letzten Jahren nicht investiert haben und mit der Automation nicht Schritt hielten», so Egli.

Auch andere Zulieferer darben. Floristen erhalten weniger Aufträge für Grabschmuck. Gärtner pflegen weniger Gräber, Zeitungen können weniger Todesanzeigen drucken, und es werden weniger Grabsteine bei Bildhauern nachgefragt.

Schnell ist ein neuer Bestatter geboren

Zweiter Grund für sinkende Umsätze: Es gibt immer mehr Bestatter. Nicht in allen Kantonen wird die zweijährige Berufsausbildung mit eidgenössischem Fachausweis verlangt. «In der Schweiz haben wir Gewerbefreiheit. Jeder kann ein Bestattungsunternehmen gründen oder betreiben, mit mehr oder weniger Erfolg», sagt Egli.

Bestatter ist ein klassischer Weiterbildungsberuf. Viele sehen darin einen Dienstleisterjob, für den es wenige Investitionen braucht.

Am Lebensende ist immer weniger Geld da 

«Drittens werden die Leute älter, verbrauchen ihr Vermögen mit Pflegeheimaufenthalten bis zum Lebensende. Den Angehörigen bleiben weniger Mittel für die Verabschiedung», sagt Verbandspräsident Messer. «Vor allem auf dem Land gibt es aber noch traditionelle Kreise. Sie sehen eine schöne, feierliche Bestattung als Wertschätzung gegenüber dem Verstorbenen», so Egli.

«Ein Gespräch mit dem Pfarrer reicht heute nicht mehr», sagt Philipp Messer, Präsident vom Schweizerischen Verband Bestattungsdienste und Bestatter in Biel.

 «Das Sterben der traditionellen Beerdigungen überleben wir auch noch. Wenn es ein Bestatter nicht schafft, dann schafft er nicht richtig», bilanziert Egli. Heute sei Individualität gefragt: «Eine Bestattung im Wald, das Bemalen des Sarges, das Schreiben des Lebenslaufs oder eine Gedenkfeier an einem speziell schönen Ort kann auch ins Geld gehen.»

Auch Messer sieht das so. Die Bestatter können heute trumpfen, wenn sie sich im Dschungel der Reglemente gut auskennen, die Kosten genau berechnen und die vorhandenen Mittel gut ausnützen.

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