Weil er seine Betreuerin liebte: Monir Khan fürchtet sich vor Ausschaffung
«Sie spielt mit meiner Zukunft!»

Eine verworrene Beziehung – für ihn wars Liebe – macht Monir Khan (20) das Leben schwer. Der afghanische Asylsuchende liess sich mit seiner Betreuerin ein. Sie widerspricht. Die Geschichte endete im Streit – und mit einer Strafanzeige.
Publiziert: 12.07.2017 um 23:12 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:12 Uhr
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Monir Khan muss wegen seiner Ex-Betreuerin vor Gericht: «Wir waren ein Paar – jetzt steht sie nicht zu mir!»
Foto: Marco Latzer
Marco Latzer

Der junge Mann wirkt nachdenklich und verängstigt. Die Zukunft von Monir Khan (20) steht auf dem Spiel. Der afghanische Kriegsflüchtling hat im Kanton Schaffhausen eine Strafanzeige am Hals. Er soll einer Frau eine Ohrfeige verpasst, sie genötigt und via Handy belästigt haben. Von Stalking ist die Rede. Ende Juli muss er deshalb vor Gericht erscheinen. Er befürchtet, dass dies die Ablehnung seines Asylgesuches bedeuten könnte.

Das Brisante: Bei der Erstatterin der Strafanzeige, Tanja S.* (28), handelt es sich um seine frühere Flüchtlingsbetreuerin! Khan sagt: «Ich bestreite die Vorwürfe nicht. Aber ich will, dass die Leute die ganze Geschichte kennen. Es geht um meine Zukunft!»

Eine ungleiche Liebesgeschichte

Der Asylsuchende kommt Ende 2015 in die Schweiz und wird einer Wohngemeinde im Kanton Schaffhausen zugewiesen. Dort trifft er auf Flüchtlingsbetreuerin Tanja S., die zugleich auch Gemeindeschreiberin ist: «Sie war mein Engel, mein Ein und Alles. Sie hat mir in dieser schwierigen Zeit sehr geholfen!», erzählt Khan. Schnell hätten sie sich ineinander verliebt. «Das allererste Mal Sex hatten wir in ihrem Büro im Gemeindehaus. Für mich war es das erste Mal, sie nahm mir meine Unschuld.»

Doch dann erfährt Monir Khan: Tanja S. ist seit langem in einer Beziehung, steckt mitten in den Hochzeitsvorbereitungen. Ihr Ex bestätigt das gegenüber BLICK: «Sie hat zwei Wochen vor der Hochzeit alles abgesagt. Ich nehme an, dass dieser Flüchtling der Grund dafür war!»

Aussenstehende erfahren von der Beziehung. Auch Flüchtling Ali S.*: «Klar, wissen wir das. Sie haben sich immer ausserhalb der Unterkunft getroffen.» Die Liebschaft wird zum Tuschelthema in der Schaffhauser Gemeinde. Monir Khan muss die Asylunterkunft verlassen. «Wir haben behauptet, ich hätte einen anderen Flüchtling geschlagen. Sie hat mir vorgespielt, dass wir unsere Liebe öffentlich machen, sobald sie nicht mehr meine ‹Chefin› ist!» Bloss: Als der Kontakt abzubrechen droht, verliert Khan die Geduld. Er droht damit, zu ihrem Vorgesetzten zu gehen, taucht häufig vor ihrem Zuhause auf. Zum Schluss ohrfeigt er Tanja S., weil er Flirt-SMS auf ihrem Handy entdeckt haben will: «Das war ein Fehler, ich habe überreagiert!», sagt Khan reuig.

Es steht Aussage gegen Aussage

Obwohl der Flüchtling innige Bilder und Nachrichten vorlegt, obwohl andere Flüchtlinge, der Ex-Partner, weitere freiwillige Helfer und ein Psychotherapeut seine Version stützen, will Tanja S. nichts von einer Liebschaft wissen. Als BLICK sie kontaktiert, mag die Betreuerin zunächst keine Stellung nehmen – entscheidet sich dann aber um. Als BLICK sie gestern Abend trifft, schart sie ihre Stellvertreterin, den Gemeindepräsidenten, zwei Gemeinderäte und einen Krisen-Coach um sich: «Ich habe mich in diesem Job jederzeit professionell verhalten!», beteuert Tanja S.

Mittlerweile hat sie ihren Job als Betreuerin abgegeben, ist nur noch Gemeindeschreiberin. Freiwillig, wie sie betont. «Weil ich so wahnsinnig viel zu tun habe!» Zuvor betreute Tanja S. die Flüchtlinge während ihrer Arbeitszeit und in der Freizeit – ohne entsprechende Ausbildung. Zu dieser Aufgabe kam sie, weil sonst niemand im Gemeindehaus ausreichend gut Englisch sprach.

Tanja S. betont: «Es war ein freundschaftliches Verhältnis zwischen uns, eine gewisse Nähe streite ich nicht ab.» Mehr sei aber nicht gewesen. Die Fotos seien keine Beweise: «Ich bin halt gutmütig, habe ein Herz und bin ein sozialer Mensch – gegenüber allen Flüchtlingen!» Die andern Anwesenden im Gemeindehaus loben unermüdlich, welch tollen Job sie gemacht habe.

Monir Khan reagiert enttäuscht: «Ich habe leider befürchtet, dass sie nicht zu mir steht!» Ihm steht ein unangenehmer Prozess bevor.

*Namen von der Redaktion geändert

Professionalität statt heikle Doppelrollen

Der Fall aus dem Kanton Schaffhausen wirft Fragen auf. Wer darf Asylsuchende betreuen? Und welche Anforderungen sollten Organisationen und Gemeinden an ihre Betreuerinnen und Betreuer stellen?

Beim Schweizerischen Gemeindeverband (SGV) hält Direktor Reto Lindegger fest: «Es gibt immer weniger Gemeinden, die Asylbewerber durch eigene Angestellte betreuen lassen.» In den meisten Kommunen seien diese Aufgaben an externe Betreuungsfirmen ausgelagert worden. Der SGV mache keine Empfehlungen, welche Anforderungen an solche Mitarbeiter gestellt werden sollen.

Dennoch sagt auch Lindegger: «Ohne auf den vorliegenden Fall einzugehen: Eine Doppelrolle als Gemeindemitarbeiter in einer anderen Funktion und gleichzeitig als Asylbetreuer erscheint mir heikel.»

Bei den Organisationen, die für Gemeinden, Kantone und den Bund Betreuungsleistungen im Asylbereich anbieten, fallen die hohen Anforderungen an Mitarbeiter auf. So verlangt Caritas Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen und gute Kommunikationsfähigkeiten von ihren Betreuern.

Ähnlich sieht es bei der Firma ORS aus: Ausgewiesene Fachkenntnisse sind Bedingung für Bewerber. Für die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen stellt ORS etwa nur ausgebildete Sozialpädagogen an. Weiter legt man Wert auf ein professionelles Verständnis von Nähe und Distanz zu den Klienten, wie Sprecherin Simona Gambini ausführt. Dem Thema wird bereits im Willkommens-Kurs bei Stellenantritt ein umfassender Unterrichtsblock gewidmet.

Bei der Zürcher Fachorganisation AOZ, die im Auftrag von Bund, Kantonen und Gemeinden auch grosse Asylzentren betreibt, sagt Sprecher Thomas Schmutz zur Frage, wie man die Einhaltung der Regeln durch Betreuende und Betreute sicherstellt: «Wir bieten laufend interne Weiterbildungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Betreuung an.» So etwa den Workshop «Professionelle Arbeitsbeziehung in der Betreuung».

Und schliesslich hält auch das Staatssekretariat für Migration, das für das gesamte Asylwesen in der Schweiz zuständig ist, fest, dass es bei Ausschreibungen von Betreuungsaufgaben Mindestanforderungen stellt: So sind eine Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung zwingend. Durchaus möglich, dass durch Fall in Schaffhausen die betroffene Gemeinde ihre Asylbetreuung neu regeln muss.

Der Fall aus dem Kanton Schaffhausen wirft Fragen auf. Wer darf Asylsuchende betreuen? Und welche Anforderungen sollten Organisationen und Gemeinden an ihre Betreuerinnen und Betreuer stellen?

Beim Schweizerischen Gemeindeverband (SGV) hält Direktor Reto Lindegger fest: «Es gibt immer weniger Gemeinden, die Asylbewerber durch eigene Angestellte betreuen lassen.» In den meisten Kommunen seien diese Aufgaben an externe Betreuungsfirmen ausgelagert worden. Der SGV mache keine Empfehlungen, welche Anforderungen an solche Mitarbeiter gestellt werden sollen.

Dennoch sagt auch Lindegger: «Ohne auf den vorliegenden Fall einzugehen: Eine Doppelrolle als Gemeindemitarbeiter in einer anderen Funktion und gleichzeitig als Asylbetreuer erscheint mir heikel.»

Bei den Organisationen, die für Gemeinden, Kantone und den Bund Betreuungsleistungen im Asylbereich anbieten, fallen die hohen Anforderungen an Mitarbeiter auf. So verlangt Caritas Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen und gute Kommunikationsfähigkeiten von ihren Betreuern.

Ähnlich sieht es bei der Firma ORS aus: Ausgewiesene Fachkenntnisse sind Bedingung für Bewerber. Für die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen stellt ORS etwa nur ausgebildete Sozialpädagogen an. Weiter legt man Wert auf ein professionelles Verständnis von Nähe und Distanz zu den Klienten, wie Sprecherin Simona Gambini ausführt. Dem Thema wird bereits im Willkommens-Kurs bei Stellenantritt ein umfassender Unterrichtsblock gewidmet.

Bei der Zürcher Fachorganisation AOZ, die im Auftrag von Bund, Kantonen und Gemeinden auch grosse Asylzentren betreibt, sagt Sprecher Thomas Schmutz zur Frage, wie man die Einhaltung der Regeln durch Betreuende und Betreute sicherstellt: «Wir bieten laufend interne Weiterbildungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Betreuung an.» So etwa den Workshop «Professionelle Arbeitsbeziehung in der Betreuung».

Und schliesslich hält auch das Staatssekretariat für Migration, das für das gesamte Asylwesen in der Schweiz zuständig ist, fest, dass es bei Ausschreibungen von Betreuungsaufgaben Mindestanforderungen stellt: So sind eine Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung zwingend. Durchaus möglich, dass durch Fall in Schaffhausen die betroffene Gemeinde ihre Asylbetreuung neu regeln muss.

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