«Die Leute kaufen immer noch die gleichen Spielsachen»
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141 Jahre Firmengeschichte:«Die Leute kaufen immer noch die gleichen Spielsachen»

Weihnachtsgespräch mit dem CEO von Franz Carl Weber – und der Enkelin des Firmengründers
«Heute haben die Kinder mehr Spielzeuge als ich damals»

Im Zürcher Spielzeugmuseum sprechen Roger Bühler und Ruth Holzer über ihr Verhältnis zu Spielzeugen, unser Schenkverhalten – und die Zukunftsperspektiven der Traditionsmarke Franz Carl Weber.
Publiziert: 25.12.2022 um 16:24 Uhr
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Spielzeuge in der DNA: Ruth Holzer, Enkelin von Spielzeugbaron Franz Carl Weber, mit Roger Bühler, dem aktuellen CEO des Spielwarenhändlers.
Foto: Philippe Rossier

Glamour sucht man bei Franz Carl Weber (FCW) in Zürich-Altstetten vergeblich. Im Untergeschoss der Filiale erwartet Besucher aber eine Überraschung: ein kleines Spielzeugmuseum, in dem Modelleisenbahnen, Puppen, Teddys und sonstige Sammlerstücke aus der 141-jährigen Firmengeschichte zu bestaunen sind. Nach schwierigen Jahren mit finanziellen Problemen hat das Museum hier ein neues zu Hause gefunden. Schutzpatronin der Sammlung FCW ist Ruth Holzer (85), die Enkelin des Spielzeugbarons. Zusammen mit FCW-CEO Roger Bühler (57) stellt sie sich unseren Fragen.

Frau Holzer, Sie sind die Enkelin des Spielzeugunternehmers Franz Carl Weber. Ihre Kindheitserinnerungen an Weihnachten müssen wundervoll sein …
Ruth Holzer: Speziell zu Weihnachten fällt mir ehrlich gesagt nichts ein. Aber ich habe als Kind fast jeden Samstag bei meinem Grossvater verbracht. Er hatte eine Wohnung oberhalb von seinem Spielzeuggeschäft an der Bahnhofstrasse in Zürich. Dort haben wir immer Zvieri gegessen – und sobald das Geschäft um 5 Uhr geschlossen wurde, durften meine Cousinen, Cousins und ich mit den Spielzeugen im geschlossenen Laden spielen. Das war das Grösste für uns.

Hier im Museum sind Spielzeuge zu bewundern, die aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammen. Waren einige davon auch mal in Ihrem Kinderzimmer?
Holzer: Nein, die meisten Stücke hat meine Mutter in jahrzehntelanger Arbeit zusammengesucht. In der Familie waren davon aber nicht alle begeistert. Vor allem die Männer sahen die Sammelei eher kritisch, da sich damit ja kein Geld verdienen liess. Mein Kinderzimmer war nicht so spektakulär, wie man sich das vielleicht vorstellt. Ich hatte zwar schon ein «Bäbi» und einen Kinderwagen. Heute haben die Kinder aber mehr Spielzeuge als ich damals. Zudem hätte ich als Mädchen mit vielen Spielzeugen gar nicht spielen dürfen, zum Beispiel mit der Modelleisenbahn. Das war früher nur etwas für Buben.

Herr Bühler, bei den Spielzeugen aus vergangenen Jahrzehnten fallen zwei Dinge auf: die Liebe zum Detail und die Robustheit. Da können nicht alle Spielzeuge mithalten, die heute bei Franz Carl Weber verkauft werden.
Roger Bühler: Die Spielzeugindustrie hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Heute haben viele Kinder unzählige Spielsachen. Vor fünfzig oder hundert Jahren dagegen konnten sich nur Gutbetuchte Spielzeuge leisten. Für eine Arbeiterfamilie lag eine neue Puppe, ein Spielzeugauto oder gar eine Modelleisenbahn finanziell nicht drin. Das hätte sie bis zu einem halben Monatslohn gekostet.

Heute haben viele Kinderspielzeuge nach wenigen Monaten ausgedient – und dann wird bei FCW etwas Neues gekauft. Eine sinnvolle Entwicklung?
Bühler: Es hat sich in unserer Gesellschaft so eingebürgert, dass wir neue Dinge mit Wertschätzung gleichsetzen. Das ist sicher nicht nur gut. Als CEO von FCW bin ich aber nicht unbedingt der richtige Ansprechpartner für diese Problematik. Zudem gibt es auch heute noch viele Spielzeuge, die über mehrere Jahre hinweg Freude bereiten.

Zum Beispiel?
Bühler: Gesellschaftsspiele haben während Corona stark an Beliebtheit gewonnen, insbesondere solche für Erwachsene. Dieser Trend hält weiter an, was uns natürlich sehr freut.

Auch Spielzeuge, die in der Schweiz produziert werden, erlebten während Corona einen Boom. Hat diese Entwicklung die Pandemie ebenfalls überlebt?
Bühler: Absolut. Es gibt immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten, die Wert legen auf lokale und umweltfreundliche Materialien und Produktionsprozesse. Das prägt auch die Spielzeugindustrie. Holzspielwaren von Trauffer oder Spiele wie Brändi Dog oder Eli Tree zum Beispiel sind hoch im Kurs.

Ein grosses Thema waren vor einem Jahr die Lieferprobleme. Wie war das in diesem Jahr?
Bühler: Die Situation hat sich wieder normalisiert. Von 1000 Produkten in unserem Katalog konnten wir nur acht nicht mehr liefern. Das ist so gut wie seit Jahren nicht mehr. Die globalen Lieferkettenprobleme hatten jedoch ebenfalls nachhaltige Auswirkungen: Spielzeuge werden wieder vermehrt in Europa hergestellt, nicht mehr nur in Asien. Schleich zum Beispiel hat für seine Tierfiguren neue Produktionsstätten in Europa aufgebaut. Das Gleiche gilt für den Holzspielzeug-Hersteller Eichhorn, Plüschtiere und Schmusetücher von Doudou et Compagnie. Und auch der US-Konzern Hasbro hat die Abhängigkeit von Fernost reduziert.

Das klingt alles sehr positiv. Gilt das auch für das Geschäftsjahr von FCW?
Bühler: Wir können auf ein erfolgreiches 2022 zurückblicken. Dazu hat auch das Weihnachtsgeschäft einen wichtigen Teil beigetragen. Dieses hat unsere Erwartungen erfüllt, die Umsätze liegen über den Vorjahren.

Wie viel verkaufen Sie online?
Bühler: Aktuell machen wir nur drei Prozent unseres Umsatzes online, vor meinem Einstieg bei FCW fast gar nichts. Das Onlinegeschäft wird für FCW aber immer nur eine Ergänzung sein. Wir glauben, wie auch unsere Kundinnen und Kunden, an das Einkaufserlebnis, also an das persönliche Beratungsgespräch und an unsere Serviceleistungen.

Wenn dem so ist, wieso haben Sie dann Ihren Standort an der Zürcher Bahnhofstrasse aufgegeben?
Holzer: Das ist wirklich schade – auch für das Spielzeugmuseum. Wir sind zwar froh und dankbar, dass wir in Zürich Altstetten ein neues Plätzchen gefunden haben. Wir haben aber schon deutlich weniger Besucher als früher. Insbesondere die Touristen aus Asien fehlen, die an der Bahnhofstrasse oft bei uns vorbeigeschaut haben. Nach Altstetten kommen diese wohl nicht. Wir hoffen deshalb, dass wir diese Lücke mit inländischen Gästen füllen können.
Bühler: Klar ist es schade, dass wir den Standort an der Bahnhofstrasse nicht halten konnten. Aber es war wirtschaftlich wegen der hohen Mieten nicht mehr tragbar. Wir hätten mit dem Laden viel Geld verbrannt – und das will sich FCW nicht leisten.

Zu besten Zeiten hatte FCW in der Schweiz mehr als 50 Standorte. In den Nullerjahren waren es zeitweise nur noch neun. Heute sind es immerhin wieder 23 Filialen. Werden es irgendwann wieder 50 sein?
Bühler: Nein, das schliesse ich aus. Die aktuelle Anzahl Läden ist ideal. Einzig in St. Gallen fehlt uns noch ein Standort. Da halten wir die Augen offen.

Frau Holzer, wie oft sind Sie noch in einer FCW-Filiale anzutreffen?
Holzer: Immer in der Vorweihnachtszeit. Ich habe mehrere Enkelkinder, für deren Geschenke ich im FCW immer fündig werde.

Und was liegt bei Ihnen selbst unter dem Weihnachtsbaum?
Holzer: Ich brauche nicht viel. Tradition ist bei uns aber, dass wir jedes Jahr eine antike Puppe unter den Baum legen.
Bühler: Bei mir liegt ein Volkswagen T2 unter dem Weihnachtsbaum – also kein echter, sondern einer von Lego zum Zusammenbauen.

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