Wegen Rekordhitze
Steinschlag-Alarm in unseren Bergen

Der heisse Sommer bringt das Eis in den Alpen zum schmelzen, es drohen vermehrt Felswände einzustürzen. So wie am Donnerstag, als zwei erfahrene Alpinisten von einem Steinschlag tödlich verletzt wurden.
Publiziert: 10.08.2015 um 21:20 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:14 Uhr
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Der Unfallort am Col des Planeureuses, oberhalb von Orsières VS.
Foto: KP Wallis
Von Cyrill Pinto

Das Ehepaar (der Mann 65, die Frau 57) aus Genf verliess die Saleina-Hütte im Unterwallis am Donnerstag um sechs Uhr früh. «Sie waren gute Alpinisten», sagt der Hüttenwart über seine beiden einzigen Gäste. Sie wollten über den Col des Planereuses auf rund 3000 Meter über Meer zur Berghütte de l’A Neuve gelangen. Doch dort kamen sie nie an. Am Freitag schlugen ihre Angehörigen Alarm. Nach einem Suchflug herrschte traurige Gewissheit: Das Paar wurde am Pass von einem Steinschlag tödlich verletzt. Als die Bergretter zu den beiden Toten abstiegen, wurden auch sie von Steinen getroffen und leicht verletzt – die Bergung war erst am Wochenende möglich.

Im Engadin kam es Ende Juli fast zur Katastrophe: Ein 100 Meter hohes und 40 Meter breites Felsstück löste sich auf rund 3200 m ü. M. am Piz Cambrena und stürzte knapp neben die Aufstiegsspur zum Piz Palü. Eine Zweierseilschaft befand sich gerade darunter, als der Felsen in eine Spalte des Persgletschers stürzte.

In den Alpen ist die Steinschlaggefahr derzeit akut. Wo es auch im Sommer normalerweise kalt ist, taut wegen der Hitze das Eis. Felsschuppen, die vom Eis zusammengehalten wurden, brechen deshalb ab. Für Bergsteiger und Bergwanderer eine nicht zu unterschätzende Gefahr, erklärt Ueli Mosimann (66) vom Schweizer Alpen-Club (SAC).

Der Berner, der im SAC die Fachgruppe Sicherheit im Bergsport vertritt, zieht Parallelen zum Jahr 2003. Wie im Rekordhitzesommer ist auch dieses Jahr die Gefahr durch Steinschlag gross. Nicht nur Bergsteiger, auch Bergwanderer sind bedroht.

Denn: Steinschläge und sogar ganze Felsstürze gefährden Wanderrouten zwischen Berghütten. «Nicht einmal am frühen Morgen ist man davor gefeit, denn auch in der Nacht sinken die Temperaturen nicht unter den Gefrierpunkt», sagt Mosimann. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Wanderer ins Hochgebirge wagen: Wo man früher nur mit Steigeisen und Eispickel vorankam, ist heute kein Eis mehr. Deshalb sind heute auch Wanderer auf diesen gefährdeten Routen unterwegs.

Ueli Mosimann sagt: «Wer sich in den Bergen bewegt, muss bei der aktuellen Situation die zunehmende Gefahr durch Steinschlag in die Planung einberechnen. Gewisse Touren kann man einfach nicht mehr machen.»

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