Egal, ob Energieministerin Doris Leuthard den Energieunions-Kommissar Maroš Šefčovič trifft, Innenminister Alain Berset mit Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis spricht oder Bundespräsident Johann Schneider-Ammann mit Vizepräsident Frans Timmermans diniert: Immer steht das angeschlagene Verhältnis im Zentrum des Gesprächs.
Aussenminister Didier Burkhalter, der mehrere Amtskollegen von EU-Mitgliedstaaten traf, beschrieb es am Donnerstag im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda so: «Ich bin mit der klaren Priorität nach Davos gekommen, mit den Kollegen über das Verhältnis der Schweiz mit der EU zu sprechen. Direkte Ergebnisse gibt es nicht.»
Die Hürden sind bekannt. Die EU verlangt einen Rahmen für die institutionellen Beziehungen. Über die meisten Punkte gibt es Übereinstimmung, die Differenzen bei der Streitbeilegung hingegen scheinen unüberwindlich. Die Annäherung geht quälend langsam voran.
Umstritten ist die Rolle, die der Europäische Gerichtshof spielen soll. Doch scheint es inzwischen, als könnte eine Einigung über Ausgleichsmassnahmen den Gordischen Knoten lösen. Solche würden der Schweiz auferlegt, wenn sie sich einer Lösung im Rahmen des gemischten Ausschusses nicht unterziehen würde. Doch dazu liess sich Burkhalter nicht in die Karten blicken.
Diese Verhandlungen hängen mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und den Problemen mit der Personenfreizügigkeit zusammen. Doch da ist der Bundesrat in einer noch verzwickteren Lage: Es laufen zwar intensive Konsultationen mit dem Ziel, das Problem politisch zu lösen. Offizielle Verhandlungen gibt es jedoch nicht, weil die EU-Kommission dafür kein Mandat hat.
Das Zauberwort des Bundesrats heisst inzwischen Schutzklausel. Die Reaktionen auf diese Lösung innerhalb des Freizügigkeitsabkommens seien grundsätzlich positiv, berichtete Burkhalter. «Es scheint die einzige Lösung zu sein.» Doch beim Mechanismus, der eine solche Schutzklausel auslösen würde, scheiden sich die Geister. Die Schweiz möchte das Heft allein in der Hand behalten, für Brüssel ist das ausgeschlossen.
Auch hier geht es nur in winzigen Schritten voran: «Wir haben eine Idee, über eine Automatisierung der Auslösung, wenn die Kriterien ganz klar sind», verriet Burkhalter. Mehr war dem Aussenminister dazu nicht zu entlocken.
Doch die Gespräche über so technische Fragen finden nicht in Davos statt. Dort gelte es, die Lage der Schweiz zu erklären und um Verständnis zu werben, betonen die Mitglieder der Landesregierung immer und immer wieder. Doch das tun sie seit nunmehr zwei Jahren bei jedem einzelnen Treffen.
Um was es wirklich geht, erklärte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann am Donnerstag ebenfalls am Rande des WEF. «Es gilt Vorbereitungen zu treffen, wenn das Dossier Europa einst wieder in Bewegung kommt. Das hat mit dem Dossier UK zu tun.» Damit spricht er aus, was in Bundesbern niemand laut zu sagen wagt: Eine Lösung ist nicht möglich vor einem EU-Referendum der Briten.
Ein solches soll vor Ende 2017 stattfinden. Das ist zu spät für die Schweiz, die die Masseneinwanderungsinitiative bis im Februar 2017 umsetzen muss. Die Hoffnung des Bundesrats, dem Parlament im nächsten März mit der Botschaft eine einvernehmlich vereinbarte Schutzklausel vorlegen zu können, dürfte sich also nicht erfüllen.
Immer wahrscheinlicher scheint dagegen die Lösung durch die Hintertür: Die Schweiz führt die Schutzklausel einseitig ein. Nach den Plänen des Bundesrats würde diese aber frühestens 2018 aktiviert. Das Zeitfenster für eine Einigung wäre damit wieder weit offen.