Gefängniswärterin Angela Magdici (32) lernt den Knast von einer neuen Seite kennen: Sie sitzt nun selber hinter Gittern, in einer Siebenquadratmeter-zelle der Haftanstalt von Bergamo (I). Ihren Liebhaber, den Vergewaltiger Hassan Kiko (27), haben die Carabinieri ebenfalls eingebuchtet – für sie ausser Reichweite.
Die Trennung bekommt den Turteltauben schlecht. «Sie zeigen keinerlei Willen zur Kooperation», sagt Paolo Storoni (45), Kommandant der Mailänder Polizei-Spezialeinheit ROS (Raggruppamento Operativo Speciale). Bei Befragungen gäben die beiden keinerlei Hinweise zu ihrem Aufenthalt in Italien, der Flucht oder den Helfern: «Sie sind geradezu feindselig», weigerten sich sogar, einen Anwalt zu konsultieren.
«Sie ist aggressiv»
Kiko schweige. Und Magdici mache dem Personal das Leben schwer. «Sie ist aggressiv, greift die Beamten nicht nur verbal an, sondern auch tätlich», so Storoni. «Sie macht den Eindruck einer Person, die nichts mehr zu verlieren hat.»
Schon als die Polizei in der Nacht auf Freitag das Versteck der Verliebten stürmte, zeigte sie sich renitent. 40 Männer der ROS belagerten das Hochhaus in Romano di Lombardia (I), Helikopter überwachten die Aktion aus der Luft. «Wir vermuteten, dass die beiden Waffen tragen», sagt Storoni. Das war nicht der Fall. Doch die durchtrainierte Kickboxerin fuhr die Krallen aus. Vier Mann waren nötig, um Magdici zu bändigen und in Fesseln zu legen.
Vater befürchtete das Schlimmste
«Es muss wüst zugegangen sein», sagt Magdicis Vater Kurt Bill (64). «Dass sie auf Polizisten losgeht, passt nicht zu ihr. Sie war nie gewalttätig oder aggressiv.» Seit der Nacht auf den 9. Februar, als Magdici ihren Geliebten aus dem Gefängnis Limmattal befreite, hat Bill keinen Kontakt mehr mit seiner Tochter. «Es waren schwere Wochen», sagt er. «Ich hatte schlaflose Nächte, befürchtete das Schlimmste.»
Was würde er ihr raten? «Dass sie sich nicht weiter zur Wehr setzt und kooperiert. Das macht es nur noch schlimmer.»
Die Videobotschaften von dieser Woche waren das erste Lebenszeichen des Liebespaars. Eine «Erleichterung» für den Vater. Und ein wichtiger Hinweis für die Fahnder: «Wir analysierten die Typologie des Gebäudes», sagt Comandante Storoni. «Wir erkannten schnell, dass es sich um dieses Haus handeln könnte.» Die zweite Fährte war ein Handy, mit dem Kiko wiederholt telefonierte. Dadurch konnten die Polizisten das Versteck ausfindig machen.
Freude für Kantonspolizisten
Als Feuerwehrmänner verkleidet, näherten sie sich dem Haus, verschafften sich trickreich Zutritt: «Sie sprachen von einem Gasleck, das repariert werden muss», sagt ein Anwohner. «Also liess ich sie rein. Sie stürmten sofort in den siebten Stock und traten die Tür ein.»
Auch Kantonspolizisten aus Zürich sind vor Ort, als die Handschellen klicken. Sie sind offenbar sehr erleichtert, das Paar nach sechs Wochen zu fassen. «Einer der Schweizer Kollegen erkannte den Gesuchten sofort», so Carabiniere Roberto Lorini (51). «Er rief fast schon glücklich: ‹Das ist Kiko!›»
Die Beamten durchsuchen nach der Verhaftung die Dreizimmerwohnung. An den Wänden arabische Schriftzüge. «Allahu Akbar», steht im Eingang: «Gott ist gross.» Ein anderer lautet: «Im Namen Gottes, des Barmherzigen und Gnädigen.» Müllsäcke und Abfall liegen herum.
Auf dem Herd steht eine Pfanne mit Reis – das letzte gemeinsame Abendessen der Verliebten für lange Zeit. Auf dem Tisch liegen Zigipäckli. Und diverse Notizzettel mit Adressen aus der Schweiz. Suchten «Bonnie und Clyde» dort Unterschlupf auf dem Weg nach Italien? Die Bewohner der Wohnungen im Kanton Zürich wollen weder Kiko noch Magdici jemals gesehen haben, wie sie auf Anfrage erklären.
«Gut, hat man sie gefasst»
Das Liebesnest in Romano di Lombardia soll nur eine Zwischenstation gewesen sein. Ein Koffer stand halb gepackt in der Wohnung bereit. Die Ermittler glauben, dass das Paar auf dem Weg in den Nahen Osten war, möglicherweise nach Syrien, die Heimat von Kiko.
«Es ist gut, hat man sie gefasst», sagt Kurt Bill. «Sonst hätte ich meine Tochter vielleicht nie mehr gesehen.» Der Vater hofft, dass Magdici bald wieder in der Schweiz ist. Hier warten bis zu drei Jahre Gefängnis auf sie, wegen Beihilfe zur Flucht. «Hoffentlich kommt jetzt in Italien nicht noch mehr dazu, weil sie die Polizisten angegriffen hat». Weshalb seine Tochter derart rebelliert?
«Durch die intensive Beziehung zu Hassan ging wohl die Vernunft verloren», sagt Bill. Er will nicht Kiko die Schuld geben. «Die Liebe macht halt einfach blind.» ROS-Kommandant Storoni meint nur lapidar: «Sie hat sich wohl in die falsche Person verliebt.»
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