Vor 43 Jahren ist Monika (damals 12) verschwunden. Deutschland ermittelt wieder. In der Schweiz macht die Verjährung das schwierig
Verschwunden, aber nie vergessen

Fast 43 Jahre lang galt Monika Frischholz als verschollen. Dank neuer Zeugenaussagen haben die Fahnder in Bayern nun eine heisse Spur. In der Schweiz haben ähnliche Ermittlungen wegen der Verjährung einen schweren Stand.
Publiziert: 12.04.2019 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2019 um 08:41 Uhr
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Seit bald 43 Jahren verschollen: Doch jetzt gibt es im Fall von Monika Frischholz neue Hoffnung.
Foto: zvg
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Marco LatzerReporter Ostschweiz

Der Fall der verschwundenen Monika Frischholz (12) bewegt ganz Deutschland. Fast 43 Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden des Mädchens läuft in Flossenbürg (Bayern) die Jagd nach dem Täter wieder auf Hochtouren.

Monika wurde zwar noch nicht gefunden, aber die Polizei hat dank neuer Zeugenaussagen eine heisse Spur. Zu Wochenbeginn haben Ermittler einen grünen VW Käfer ausgegraben, den sie mit Monikas Verschwinden in Verbindung bringen.

Die Gesetzeshüter geben sich zuversichtlich, den Fall nach so vielen Jahren noch lösen zu können. Die grosse Frage: Ist ein solches Ermittlungswunder auch bei uns möglich?

Besonders in den 1980er-Jahren verschwanden viele Kinder

Fakt ist nämlich: In der Schweiz sind in den «dunklen Achtzigerjahren» ausserordentlich viele Kinder teils brutalen Kapitalverbrechen zum Opfer gefallen. In sieben Fällen wurden bis heute keine Leichen gefunden. Die Kleinen sind spurlos verschwunden. Von einem Tag auf den anderen waren sie wie vom Erdboden verschluckt.

«Der Fall in Deutschland bewegt mich sehr», gibt B. K.* (71) offen zu. Ihr Sohn, Peter Perjesy (14), besuchte am 22. September 1981 ein Tischtennis-Training in Wattwil SG. Auf dem Heimweg verschwand der Teenager spurlos. Sein Velo wurde vor der Turnhalle gefunden.

«Ich versuche zwar, es ruhen zu lassen, warte aber noch immer darauf, dass der Fall gelöst wird. Die Hoffnung stirbt nie!», sagt die Mutter zu BLICK. Spätestens wenn sie von dieser Erde gehe, werde es zu einem Wiedersehen mit Peter kommen. «Dann werde ich Antworten erhalten», ist die St. Gallerin überzeugt.

Soko-Mitglied ärgert sich über Verjährung

Die Chancen auf reale Ermittlungserfolge in den offenen Fällen schätzt Josef Emmenegger (73) allerdings gering ein. Der pensionierte Luzerner Kriminalpolizist war viele Jahre Mitglied in der «Soko Rebecca», die nach dem gewaltsamen Tod der kleinen Rebecca Bieri (†7) aus Gettnau LU gegründet wurde.

Die Sonderkommission wird jeweils bei überregionalen Gewalttaten gegen Kinder aktiv. Doch ihre Mittel sind begrenzt: «Weil bei uns Mord nach 30 Jahren verjährt, fehlt die gesetzliche Möglichkeit für neue Ermittlungen. Zwangsmassnahmen oder offizielle Befragungen sind nicht mehr möglich. Ein neuer Verdächtiger könnte theoretisch einfach sagen: Ich habe keine Lust!», ärgert sich Emmenegger.

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Dazu kommt, dass wegen der Verjährung völlig legal Beweisstücke vernichtet werden können – obwohl noch Fragen offen sind. Die Chancen einer Aufklärung werden dadurch zusätzlich reduziert. Ein Umstand, unter dem die Angehörigen der schrecklichen Kindermorde in den Achtzigern bis heute leiden.

Der Schmerz des Verlusts hält bis heute an

Das gilt auch für den vermissten Peter Roth (7). Der Zweitklässler aus Mogelsberg SG war am 12. Mai 1984 auf dem Heimweg von der Schule, kaufte sich noch eine Packung Chips am Dorfkiosk. Die leere Packung wird später 300 Meter vom Elternhaus entfernt gefunden. Sie ist das letzte Lebenszeichen von Peter Roth, dessen Verschwinden trotz grosser Anstrengungen nie geklärt wurde. «Der Wunsch nach Aufklärung ist noch da, aber mittlerweile ist es uns wichtiger, unsere Ruhe zu haben», sagt eine Angehörige zu BLICK. 

Ähnlich lässt sich auch das Gesuch zur Verschollenerklärung für Edith Trittenbass (9) deuten, welches letztes Jahr beim Bezirksgericht Frauenfeld eingereicht wurde. Erst wenn bis zum 1. Juli keine neuen Hinweise eingehen, wird das 1986 auf dem Schulweg verschwundene Bauernmädchen offiziell für verschollen erklärt. Der Grund: Das Gesuch wurde erst nach dem Tod ihres Vaters (†81) eingereicht. Dieser soll die Hoffnung, seine Tochter doch noch zu finden, bis zu seinem letzten Tag nicht aufgegeben haben.

Auch in den Fällen von Sarah Oberson (5) aus Saxon VS, Sylvie Bovet (12) aus Bevaix NE und Karen Schmitz (16) aus Adliswil ZH bleibt nur die Hoffnung auf ein Wunder.

Im Fall von Monika Frischholz in Bayern würde ein solches für die Familie zu spät kommen. Ihr Bruder Bruno (†59) ist im Januar als letzter Angehöriger verstorben. Die Polizei setzt trotzdem alles daran, späte Gerechtigkeit zu schaffen.

* Name bekannt

Tot oder verschollen

Jährlich verschwinden in der Schweiz etwa 5000 Personen. Genaue Statistiken werden nicht geführt.

Aber die Vermisstmeldungen zeigen: Gemeldet werden Kinder, die nicht nach Hause kommen, Senioren, die sich verlaufen – oder auch Berggänger, die verunfallt sind. Die meisten Fälle klären sich innert kurzer Zeit auf. Auch dank öffentlichen Vermisstenanzeigen. 

Ungeklärt bleiben rund 200 Fälle pro Jahr. Aber selbst wenn eine Person nie gefunden wird und es kaum Hoffnung mehr gibt, dass sie noch lebt, wird sie in der Schweiz nicht automatisch für tot erklärt. Die Feststellung eines Todes muss nämlich explizit verlangt werden. Das kann nur, wer ein schützenswertes Interesse daran hat. Etwa Erben oder Ämter.

Für verschollen erklärt werden vermisste Personen indes, wenn es vernünftige Zweifel an deren Tod gibt. Auch das geschieht nur auf Antrag. So kann eine vermisste Person im Extremfall über 100 Jahre alt werden, ehe sie als verschollen gilt. So geschehen etwa mit der vermissten Pauline Emma Sunier, die 1865 geboren wurde und erst 2019, theoretisch 154-jährig, für verschollen erklärt wurde.

Jährlich verschwinden in der Schweiz etwa 5000 Personen. Genaue Statistiken werden nicht geführt.

Aber die Vermisstmeldungen zeigen: Gemeldet werden Kinder, die nicht nach Hause kommen, Senioren, die sich verlaufen – oder auch Berggänger, die verunfallt sind. Die meisten Fälle klären sich innert kurzer Zeit auf. Auch dank öffentlichen Vermisstenanzeigen. 

Ungeklärt bleiben rund 200 Fälle pro Jahr. Aber selbst wenn eine Person nie gefunden wird und es kaum Hoffnung mehr gibt, dass sie noch lebt, wird sie in der Schweiz nicht automatisch für tot erklärt. Die Feststellung eines Todes muss nämlich explizit verlangt werden. Das kann nur, wer ein schützenswertes Interesse daran hat. Etwa Erben oder Ämter.

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