Von wegen faule Flüchtlinge!
«Wir mussten hart um unseren Job kämpfen»

Über 80 Prozent der anerkannten Flüchtlinge beziehen Sozialhilfe. Dabei wollen viele nur eines: arbeiten.
Publiziert: 23.08.2015 um 18:16 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:14 Uhr
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Amin Abti Fatah (26) aus Somalia arbeitet auf einem Gemüsehof in Füllinsdorf BL.
Foto: Philippe Rossier
Von Cyrill Pinto

Amin Abti Fatah (26) steht jeden Morgen um kurz nach fünf auf. Er nimmt den Zug in Stein-Säckingen AG und fährt nach Kaiseraugst AG, dort steigt er aufs Velo und radelt die letzten 20 Minuten den Berg hinauf nach Füllinsdorf BL. Der Flüchtling aus Somalia arbeitet auf dem Hof von Gemüsebauer Andreas Eschbach (52).

Seine Arbeit ist nicht weniger streng als der Arbeitsweg: Unter den Treibhauszelten ist es brütend heiss. Fatah sät gerade Kresse. Er strahlt: «In diesem Jahr habe ich erstmals einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten.» 

Der Somalier hatte Glück. Nur wenige Arbeitgeber sind bereit, Flüchtlinge einzustellen. Dies weiss auch der Afghane Amir Sharifi (26) aus Bern: «Ich habe viele Bewerbungen geschickt und wollte unbedingt arbeiten. Aber ich hatte praktisch keine Chance auf einen Job.»

Laut jüngsten Zahlen des Bundes beziehen 83,5 Prozent der anerkannten und vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge Sozialhilfe. Dabei dürften sie durchaus arbeiten – im Gegensatz zu Asylbewerbern, die noch auf einen Entscheid warten. Für sie gilt ein Arbeitsverbot.

Lange hat die Öffentlichkeit dies hingenommen. Inzwischen aber weisen linke Politiker offen auf den eklatanten Missstand im Asylwesen hin: Der ehemalige Preisüberwacher und SP-Nationalrat Rudolf Strahm (72) prangert falsche Anreize durch die Sozialhilfe an und kritisiert das Arbeitsverbot für Flüchtlinge. Die Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli (49, Grüne) sekundiert in der «Schweizer Illustrierten»: «Sozialhilfe macht Flüchtlinge lethargisch.»

Engagierte Arbeitgeber wie Gemüsebauer Andreas Eschbach aus Füllinsdorf, der schon seit 20 Jahren Flüchtlinge beschäftigt, sehen es genauso. Bei ihm arbeiten zurzeit sieben Männer. Alle haben einen positiven Asylentscheid oder wurden vorläufig aufgenommen. «Für mich ist es eine Herzensangelegenheit», so Eschbach. «Warum sollten wir keine Flüchtlinge einstellen und stattdessen ausschliesslich Polen oder Tschechen?»

Schliesslich lebten die Flüchtlinge hier, im Gegensatz zu den Gastarbeitern aus Osteuropa. «Gibt ihnen niemand Arbeit, sind sie von der Sozialhilfe abhängig.» Dabei könnten sie mit einem Job für ihren Lebensunterhalt aufkommen.

Doch Arbeitgeber wie Eschbach sind in der Minderheit. Die meisten haben gegenüber Zuwanderern grosse Berührungsängste. Einzelne Kantone versuchen deshalb, den Flüchtlingen mit Integrationsprojekten den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Der Kanton Bern lancierte im Mai zusammen mit Caritas, Arbeitgebern und der Technischen Fachschule Bern (TF) ein Projekt zur Arbeitsintegration.

Felix Schärer leitet dort die Ausbildung von Flüchtlingen zu Schreinern oder Maurer-Hilfskräften. Anfang August begannen 22 Flüchtlinge mit ihrem Lehrgang. «Wir hatten doppelt so viele Anmeldungen wie Ausbildungsplätze – das Interesse ist riesig», sagt Schärer. Nach der Ausbildung sollen die Migranten fit sein für den Arbeitsmarkt. Zurzeit sucht Schärer Praktikumsplätze für seine Schützlinge: «Es braucht einen Effort von allen, um diese Leute zu integrieren. Doch am Ende profitieren auch alle davon.»

Gemüsebauer Eschbach gibt ihm recht: «Es braucht den Willen, mit Flüchtlingen zusammenzuarbeiten. Hat jemand Vorbehalte, funktioniert es nicht.» Sein Mitarbeiter Amin Abti Fatah ist gerne auf dem Hof. Aber er will weiterkommen: «Mein Traum ist eine Ausbildung zum Mechaniker.»

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