Das Volksverdikt im Februar 2004 war klar: Über 1,2 Millionen Schweizerinnen und Schweizer stimmten der lebenslänglichen Verwahrung zu. Die Öffentlichkeit soll für immer vor gefährlichen und untherapierbaren Tätern geschützt werden. Unwiderruflich! Auch wenn das gegen internationales Recht verstossen sollte.
Mit diesem Gesetzesartikel erhofften sich viele Stimmbürger, dass Mörder und Vergewaltiger sich nicht mehr mit Gutachten aus der sogenannten «kleinen Verwahrung» befreien können. Spätestens alle fünf Jahre wird die Massnahme in diesem Fall überprüft. Lebenslänglich soll wirklich bis ans Lebensende gehen, so der Wunsch der Initiantin Anita Chaaban.
Doch ein Blick in die Chronologie des Verwahrungsartikels zeigt: Die Chancen, dass die Bestie von Rupperswil lebenslänglich verwahrt wird, sind klein. Das Bundesgericht in Lausanne zog eine ausgesprochene Verwahrung mehrmals zurück. So etwa im Fall Lucie, in dem der arbeitslose Koch Daniel H. kaltblütig ein erst 16-jähriges Au-pair-Mädchen tötete. Selbst der Berner Markus W., der 24 Frauen teilweise mit Hilfe von K.o.-Tropfen vergewaltigte, war für die Lausanner Richter kein Fall für die lebenslange Verwahrung. Auch im Prostituierten-Mord von Biel zog das Bundesgericht die lebenslange Verwahrung zurück.
Hohe Hürden wegen Untherapierbarkeit
Die Liste ist lang. Und sie könnte noch länger werden. 2013 tötete der verurteilte Vergewaltiger Fabrice Anthamatten seine Sozialtherapeutin Adeline Morel (†34). Im Herbst soll ihm der Prozess gemacht werden. Obschon Gutachter den heute 41-jährigen Täter als unheilbar einstufen, fordern sie keine lebenslange Verwahrung. Ein weiterer Flop droht im Fall Marie: Claude Dubois, der Eifersuchtsmörder der 19-jährigen Marie, kündigte Anfang April Rekurs gegen seine lebenslängliche Verwahrung an.
Der Grund für die lasche Anwendung des Verwahrungsartikels ist in vielen Fällen gleich: Die Bundesrichter fordern für die lebenslange Verwahrung eine «dauerhafte Untherapierbarkeit». Diese ist nur sehr schwer zu prognostizieren. Unter Juristen ist die lebenslange Verwahrung deshalb sehr umstritten. Vielfach wird trotz Volksentscheid auf die «kleine Verwahrung» zurückgegriffen. Diese wird von den europäischen Menschenrechts-Richtern gestützt und kann bis ans Lebensende des Täters verlängert werden.
Die lebenslange Verwahrung kam bislang nur einmal erfolgreich zum Zug: Der Callgirl-Mörder von Märstetten TG ist seit 2011 rechtskräftig und lebenslänglich verwahrt, weil sein Anwalt und er nicht in Berufung gingen. Ob die Verwahrungsinitiative auch bei der Rupperswiler Bestie Thomas N. angewendet wird, ist jedoch heute schwer einzuschätzen. «Es ist viel zu früh, um über das Strafmass des Täters zu spekulieren», sagte etwa der renommierte Strafrechtsexperte Martin Kilias gegenüber der «Aargauer Zeitung». (pma)
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